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Erleiden, Umdeuten, Verschweigen und Vergessen. Niederlagen und Verluste als Phänomene einer 'erweiterten Militärgeschichte' der römischen Kaiserzeit

Fachliche Zuordnung Alte Geschichte
Förderung Förderung von 2015 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 271866908
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Kriegs- und Niederlagendeutungen reflektieren kulturelle Paradigmen, Konventions- oder Erwartungssysteme, die geeignet sind, über die Gesellschaft selbst Auskunft zu geben, die sie hervorbringt und als Publikum rezipiert. Die Bandbreite der Reflexion über Niederlagen und deren Verarbeitung in der römischen Antike, der komplexe Prozess der Aneignung und (Um-)Deutung, ist groß: Das Spektrum reicht vom Eingeständnis bis zur Verneinung bzw. dem Vergessen oder Verdrängen. Niederlagen werden durch die Arbeit der ‚Geschichtsliteraten‘mit den Erwartungen ihres Publikums und der herrschenden Gesellschaft harmonisiert und bewältigt. Es ist am Ende ein wenig wie bei dem Geschichtsphilosophen Arnold Toynbee, der 1946 in "The Study of History" Niederlagen (und allgemein Rückschläge) ein die Energien der Nationen stimulierendes, mobilisierendes Element nennt. Die Niederlage funktioniert in seiner Überlegung, was geschichtliches Handeln in Bewegung setzt, als Anreiz, gerade durch die Katastrophe: Für die römische Antike nennt er explizit die clades Alliensis und den dann folgenden und eben erstaunlich rasch wieder erfolgreichen Prozess zur Erlangung der Hegemonie über Italien, (indirekt) dann auch die Niederlagen des Hannibalkrieges! Das ohnehin in der Eigenwahrnehmung meist siegreiche Rom leistet sich in der Tat als Besiegter ganz offenbar ‚Arbeit an der Niederlage“, um aus ihr zu lernen. Rom wird am Ende, auch nach gravierendsten Niederlagen (wobei nur wenige, wie die Allia- Schlacht, Teil der Memorialkultur werden), Sieger bleiben; Niederlagen stacheln dazu an, die Anstrengungen auf einen Sieg zu vervielfachen: Das kann man vielfach, als aufgrund historischen Erinnerns und Erlebens fest in der römischen Kultur und Moral verankertes Credo, herausstellen. Niederlagen tragen den Keim künftiger Siege in sich, man kann aus ihnen lernen. Kollektive Traumata und Niederlagen können so auch eine Motivation sein, stabilisierende Faktoren, ja Katalysatoren, die die Gesellschaft zusammenschweißen und sie stark machen bzw. wieder bestärken. Niederlagen zu akzeptieren, Kapitulation, über einen Frieden zu verhandeln, der nicht dem Willen Roms entsprach – das war inakzeptabel. In der Variationsbreite der historiographischen Erzählungen über die Ursachen von Niederlagen (endogene und exogene Faktoren) lässt sich letztlich die bekannte Vermutung von R. Koselleck, dass die Unterlegenen die größere ‚Beweisnot‘ hätten, dass ihnen wegen dieser höheren analytischen Durchdringung Erfahrungsgewinne zu verdanken seien, überprüfen. Insgesamt fällt dabei immer wieder die Rolle des Feldherrn auf, dem in einer Art ‚Sündenbockfunktion‘ der Hauptteil der Verantwortung zugeschoben wird (das gilt für Republik und Kaiserzeit). Außerdem wird deutlich, dass die Reaktion auf die Niederlage eher der Wille ist, nachfolgend den Sieg zu erringen – „Siegen oder Sterben“ bleibt ein Extrem! Der Besiegte kann am Ende auch zum Sieger werden; das Dictum von Koselleck ist damit eher eine ‚Halbwahrheit‘.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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