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Migration und Vergesellschaftung jenseits des nationalen Paradigmas. Eine Mikrogeschichte der Ruhrpolen, 1870-1950
Antragstellerin
Dr. Anne Friedrichs
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2014 bis 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 269231027
Dass die deutsche Gesellschaft nicht als in sich geschlossene Einheit untersucht werden kann, gehört in der Zwischenzeit zum methodischen common sense der Geschichtswissenschaft. Residuen eines Denken in festgefügten nationalen Einheiten haben sich aber erhalten und betreffen auch die Migrationsgeschichte. So geht die bisherige Forschung zur Migration der Ruhrpolen im Kern von der Annahme aus, es habe eine "aufnehmende" Gesellschaft gegeben, von der sich polnische Migranten in einer Subkultur zunächst abgegrenzt, in die sie sich aber im Laufe der Zeit integriert hätten. Diese Auffassung muss jedoch grundlegend revidiert werden. Indem das geplante Projekt an die Stelle des methodologischen Nationalismus eine mikrogeschichtlich orientierte Verflechtungsgeschichte rückt, wird der Blick frei für die Dynamik und Wandelbarkeit kultureller Beziehungen, das Zusammenspiel von Migration und Prozessen des Wandels sowie die Spezifik von Ort und ländlicher Region im Verhältnis zu weit verbreiteten Tendenzen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die kulturhistorisch inspirierte Untersuchung zeigt erstens auf, wie sich die Konjunkturen eines vielschichtigen, nicht immer gleichgewichtigen Austausches zwischen heterogenen Migrationsgruppen und einer differenzierten und in Teilen ebenfalls mobilen Gesellschaft in der Ruhrregion entwickelten. Dabei wird deutlich, dass sich diese gerade nicht als feste Einheiten gegenüberstanden, sondern Individuen und Gruppen vielfach ineinandergriffen und sich wechselseitig beeinflussten. Zweitens geht die Studie dem Einfluss der mehrseitigen Kontakte auf die sich teils neu formierende Gesellschaft in der Ruhrregion nach und vermisst darin die Bedeutung der Migration aus den Unter- und Mittelschichten für den kulturellen, gesellschaftlichen, ökonomischen und politisch-administrativen Wandel in der Ruhrregion. Drittens nimmt das Projekt ein ländliches und kulturell heterogenes Gebiet in den Blick, da die Forschung bislang vor allem das Land ungeachtet der Ansiedlung der meisten Migranten und Migrantinnen in Nähe zu den dort gelegenen Zechen vernachlässigt hat. Die Studie lotet Handlungsspielräume, Tendenzen der Adaption und der Resistenz im Verhältnis zu einem sich steigernden und schwächer werdenden Nationalismus und den Anforderungen einer globalen Ökonomie aus. Insgesamt leistet die Untersuchung einen Beitrag dazu, wie eine kulturell sensible Geschichte von Migration und Gesellschaft aus dem Blickwinkel der Austauschbeziehungen von Menschen unterschiedlicher Herkunft begründet werden kann.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Kooperationspartnerin
Professorin Dr. Angelika Epple