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Zirkulation in asiatisch-europäischen Wissensräumen: G.E. Rumphius und seine Texte, ca. 1670-1755

Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Frühneuzeitliche Geschichte
Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 268670304
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das interdisziplinäre Projekt analysierte die Produktion von Wissen über die außereuropäische Natur anhand der naturhistorischen Texte von Georg Everhard Rumphius (1627–1702), der als Kaufmann in der niederländischen Ostindien-Kompanie tätig war. D’Amboinsche Rariteitkamer (1705) und Het Amboinsche Kruid-boek (1741–1755) waren bislang wissenschaftshistorisch als Beitrag zur botanischen und zoologischen Taxonomie archiviert und literaturhistorisch als Teil der niederländischsprachigen Kolonialliteratur kanonisiert. Das Projekt erforschte sie ausgehend von der Dynamik in der Entstehung der Texte und Illustrationen auf der molukkischen Insel Ambon. Dabei wurde die Produktion und Rezeption naturkundlichen Wissens als Zirkulation im Kontakt asiatischer und europäischer Akteur*innen verstanden und nach der Möglichkeit neuer Wissensräume zwischen dem heutigen Indonesien und Nordwesteuropa gefragt. Die Projektmitarbeiterinnen analysierten Material und Medium im Wechsel aus geschichtsund literaturwissenschaftlicher Perspektive. Die Untersuchung der Materialität widmete sich Proben, Sammlungen und Büchern und den damit verbundenen Praktiken des Sammelns, Ordnens und Publizierens. Sie bewegte sich dabei von den Textquellen im Archiv weg, hin zu den Objekt- und Bildquellen in Museen und Sondersammlungen. Es erwies sich, dass Hybridisierung weder für die koloniale Verwaltung noch von der naturkundlichen Gemeinschaft eine erstrebte Praxis war, sondern eher ein Nebenprodukt der Überwindung räumlicher und zeitlicher Abstände. Die Materialisierung in Schrift und Druck zielte auf Eindeutigkeit, und die mündliche Praxis von Rumphius verhallte dabei. Die literaturwissenschaftlichen Textanalysen verorteten Rumphius’ Texte gattungspoetisch und nahmen ihre Mehrstimmigkeit und Narrativität in den Blick. Die Verortung der Texte auf Ambon, die sich ebenso auf die Entstehung der Texte wie auf ihren Inhalt und ihre Form erstreckt, erwies sich als prägendes Merkmal. Rumphius’ Stimme setzt sich als autoritatives Zentrum der Texte in Szene und weist damit den Autor als Garanten für die Zuverlässigkeit des Wissens aus. Dieses wird beschreibend vermittelt, während Formen des Erzählens eine supplementäre Funktion übernehmen. Die koloniale Rahmung des naturhistorischen Unternehmens von Rumphius tritt unter anderem dadurch zu Tage, dass lokales Wissen häufig als unglaubwürdig abqualifiziert wird und lokale Informant*innen vielfach abgewertet werden. Rumphius tritt dabei als eine von einer hybriden Position aus sprechende und agierende Mittlergestalt zwischen der lokalen Bevölkerung und den Europäern auf. Die Kommentierung durch Simon Schijnvoet beziehungsweise Johannes Burman und die Drucklegung in Amsterdam beförderten die Zirkulation des Wissens nach Europa und hatten eine Herauslösung des ambonesischen Wissens aus seinem ursprünglichen Zusammenhang zur Folge. Im Vergleich von Rumphius’ Kruid-boek mit anderen naturhistorischen Texten aus einem kolonialen Entstehungskontext konnten seine Besonderheiten herausgearbeitet werden: die Ausführlichkeit seiner Beschreibungen, die vielsprachige Nomenklatur sowie die Kombination von empirischen Beobachtungen und umfassenden Beschreibungen lebenden Pflanzenmaterials mit einer Kompilation von Buchwissen. Da der dynamische Prozess der Generierung, Zirkulation und Rezeption des Wissens durch den Druck angehalten wurde, bedurfte es ebenso literaturwissenschaftlicher Textanalysen wie der historischen Untersuchung der Materialität. Um die Lücke zu schließen zwischen Rumphius’ Text, der auf Ambon lokalisiert ist, und Schijnvoets beziehungsweise Burmans Kommentaren, die in Amsterdam entstanden sind, erwies sich das Wissen um Transportwege und -mittel sowie um Handels- und Korrespondenznetzwerke als unerlässlich. Dabei wurde gezeigt, wie sich Materialität und Medialität gegenseitig bedingten. Die materiellen Voraussetzungen, unter denen Rumphius seine Bücher verfasste, prägten die mediale Verfasstheit seiner Texte. Die aus dem Projekt hervorgegangenen Publikationen tragen zu einer Wissensgeschichte der europäischen kolonialen Unternehmungen des 17. und 18. Jahrhunderts bei.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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