Kontaktlose und kontinuierliche Überwachung thermomechanischer Belastungsprofile von Schutzschichten in der Fertigungstechnik mittels integrierter ferromagnetischer Dünnschichten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im vorliegenden DFG-Erkenntnis-Transferprojekt wurde ein neuartiges Sensorsystem zur Verschleißüberwachung für Metallzerspanungsprozesse für Drehmaschinen entwickelt und in einem Modellsystem getestet. Die Verschleißüberwachung wird über den Temperaturanstieg auf einer für den Drehprozess beschichteten Wendeschneidplatte ermittelt. Das Messprinzip beruht auf einem spannungsinduzierten Temperaturanstieg, der anhand des magnetoelastischen Effektes (Villari- Effekt) in einer ferromagnetischen Schicht eine Änderung deren magnetischen Eigenschaften hervorruft. Diese Änderung macht sich im Anstiegsverhalten der magnetischen Hysterese, sprich der Permeabilität, aber auch im Temperaturverhalten der Magnetisierung bzw. magnetischen Polarisation bemerkbar. Der magnetoelastische Effekt ist ferner auch im Hochfrequenzverhalten der ferromagnetischen Schicht sichtbar, indem deren natürliche ferromagnetische Resonanzfrequenz (FMR) verschoben wird, da sich eine dafür benötigte uniaxiale magnetische Anisotropie in der Schichtebene durch Krafteinwirkung (Spannung) in ihrer Größe verändert. Da es sich um den Einsatz einer magnetischen Schicht als eigentliche Sensorschicht auf einem Zerspanungswerkzeug in einem Drehprozess handelt, mussten verschiedene Einflüsse auf die Schicht berücksichtigt werden. Als magnetische Schicht wurde das Nanokomposit-Schichtsystem Fe-Co-Hf-N gewählt, da es als temperaturstabil gilt. Diese Einflüsse beruhen u. a. auf der Wechselwirkung mit dem ebenfalls ferromagnetischen Substratmaterial (Wendeschneidplatte), der Haftfestigkeit aber auch auf einer Oxidation der Schicht durch den Temperaturanstieg beim Zerspanen. Dies führte zu einer Verwendung von Entkopplungsschichten aus SiO2 zur elektrischen Isolation von Wirbelströmen durch das Hochfrequenzmessverfahren und Erhöhung der thermischen Spannung durch einen geringeren Ausdehnungskoeffizient im Vergleich zur magnetischen Schicht sowie in erster Linie Ti-Al- N zum Verschleißschutz, weiteren magnetischen Entkopplung zum Substrat und zum Schutz der Oxidation des gesamten Schichtverbundes. Hierdurch konnte das Ansprechverhalten der Sensorschicht bezüglich der primär verwendeten Messtechnik, die auf der Methode des Frequenzmischverfahrens basiert, optimiert werden. Das Frequenzmischverfahren, das in einem Patent beschrieben ist, besteht aus der Kombination zweier Spulen. Die erste Spule mit Ferritkern arbeitet als magnetisierende Modulationsspule für die ferromagnetische Schicht. Die zweite Spule befindet sich als hufeisenförmige Pick-up-Luftspule zwischen den Polen der Modulationsspule ebenfalls direkt über dem Substrat (ca. 0,5 bis 1 mm) und wird über einem LC-Kreis im unteren MHz-Bereich in Resonanz betrieben. Zwei miteinander gekoppelte Kondensatoren limitieren den Energieübertrag in und aus dem LC-Kreis und verknüpfen diesen mit einem Signalgenerator sowie Phasenkomparator. Der demoduliert das Hochfrequenzsignal. Ein Phasenschieber wird zusätzlich verwendet, um den Arbeitspunkt des Phasenkomparators zu definieren. Nachfolgend wird das demodulierte Signal digitalisiert und Fourier-transformiert sowie weitere Signalanalysen mittels Software durchgeführt. Die Amplitude bzw. der Amplitudenanstieg des demodulierten Signals bei wiederum des 2nvielfachen der Modulationsfrequenz f2 dient nun als Indikator für die Änderung der Magnetisierung und der temperaturinduzierten Spannungsverhältnisse im Sensorschichtsystem. Um die gesamte Sensor-Messkopfeinheit an das Schneidwerkzeug zu adaptieren, musste diese vom Labormaßstab als kompakte Einheit an den Wendeschneidplattenhalter (Drehmeißel) angepasst werden. Das System erforderte eine nahezu vibrationsarme Montage als auch den Schutz vor heißer sowie mechanisch schädigendem Spanflug. Dies wurde durch geeignete Maßnahmen umgesetzt werden. Messungen für dieses Modellsystem haben bei Standarddrehprozessen gezeigt, dass der Anstieg der Amplitudensignale A2 und A6 bei bei den Frequenzen 2f2 und 6f2 Aufschluss über das Verschleißverhalten der Wendeschneidplatte durch das unterschiedliche Temperaturverhalten bei verschleißbedingter höherer Reibung und im Fall des Werkzeugversagens liefert.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Combining Sensor and Protective Functionalities in Ferromagnetic Nanocomposite Thin Films for Applications in Harsh Environments, Adv. Eng. Mat. 18 (2016), 739-753
Seemann, K.; Leiste, H.; Stüber, M.; Krüger, K.; Brunken, H.; Ludwig, A.; Thede, C.; Quandt, E.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1002/adem.201500474) - On the in-plane uniaxial anisotropy formation by using Fe-Co- Zr-N films: A theoretical and experimental investigation, Journal of Magnetism and Magnetic Materials 413 (2016) 115-120
K. Seemann, S. Beirle, H. Leiste
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.jmmm.2016.04.031) - „Berührungsloser Temperatur- und Verschleißsensor für magnetisch funktionalisierte Hartstoffschichten“, Technische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 2016
Class Thede:
- Ferromagnetic Film-Substrate Decoupling for Sensor Applications, Advanced Engineering Materials, 19 (2017) 1700397
S. Beirle, K. Seemann, H. Leiste, S. Ulrich
(Siehe online unter https://doi.org/10.1002/adem.201700397) - Natural ferromagnetic resonance damping optimization in thin Fe-Co-Zr-N/Ti-Al-N film with in-plane uniaxial anisotropy, Journal of Physics D: Applied Physics, 50 (2017) 405001
K. Seemann, S. Beirle, H. Leiste
(Siehe online unter https://doi.org/10.1088/1361-6463/aa8495) - Contactless monitoring of temperature change in cutting inserts by application of hard coatings and ferromagnetic film sensor phases, Sensors & Actuators: A Physical, A 296 (2019) 278–285
K. Seemann, S. Beirle, C. Thede, V. Schier, E. Quandt
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.sna.2019.07.026) - „Entwicklung eines ferromagnetischen Schichtsystems auf Hartmetallsubstraten für die Anwendung als Temperatur- und Kraftsensor“, Karlsruher Institut für Technologie, 2019
Stefan Beirle