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Istanbul: Das Erbe und das Überflüssige. Die Ethik von Stadtumbau und Denkmalschutz, 1910 bis zu den Gezi-Protesten 2013

Fachliche Zuordnung Islamwissenschaft, Arabistik, Semitistik
Förderung Förderung von 2015 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 240207984
 
Die Debatte, was für eine Stadt Istanbul sei und sein solle - islamisch, traditionell, orientalisch, eine Dritt-Welt-Metropole, (post-)kolonial oder global etwa -, ist keineswegs neu. Sie spielte in der Stadtpolitik des vergangenen Jahrhunderts im Allgemeinen und im Politikfeld Denkmalschutz und der Frage der Konstruktion einer nationalen Geschichte im Besonderen eine Rolle. Im Denkmalschutz findet die Definition von Gebäuden und Strukturen in der Stadt als entweder schützenswertes Erbe oder Wertloses, Überflüssiges statt. 'Das Erbe und das Überflüssige' setzt sich mit ethischen Aushandlungen zur Raumnutzung in Istanbul auseinander, die auf dem Felde der historischen Baumasse und Stadtstruktur ausgetragen werden. Ethisch sind diese Aushandlungen deshalb, weil die Definition dessen, was als Erbe und was als überflüssig gilt, Verpflichtungen für jede/n Bürger/in beinhaltet und über eine Gruppenmoral hinausgeht. Damit besteht der Beitrag dieses Teilprojekts zum Gesamtprojekt darin, zu erforschen, welche Rolle Geschichte, Denkmalschutz und (soziale bzw. kollektive) Erinnerung für urbane Ethiken spielen. Das Projekt untersucht, wie bauliche Formen und historische Leitbilder an Subjekte gekoppelt werden und so eine Ethik vom 'guten' und 'richtigen' Leben schaffen. Die Aushandlung über den Wert oder die Überflüssigkeit historischen Erbes in Istanbul verbindet sich deshalb nicht nur mit der Frage, wie die Stadt sein, sondern auch damit, wer in dieser Stadt wie leben solle.Im Falle Istanbuls ist dieses ethische Subjekt im Zeitraum 1910 bis 2013 immer ein 'modernes', für das einerseits die Stadt 'modern' zu gestalten ist und das sich andererseits dieser 'modernen Stadt' würdig zu erweisen hat. Im Projekt der Moderne nehmen die Beschäftigung mit der Vergangenheit und der Schutz ihrer baulichen Überreste eine entscheidende Rolle ein - auch wenn das zunächst paradox klingen mag. Denn die moderne Stadt und die modernen Bürger/innen seien sich ihrer 'Wurzeln' bewusst, gingen respektvoll mit ihnen um und wüssten sie durch Denkmalschutz zu konservieren. Im Falle Istanbuls bleibt jedoch das Verhältnis zwischen wertvoller Geschichte und den modernen Bürger/innen immer umstritten. Der/Die moderne Bürger/in schützt - nur welche der vielen möglichen Vergangenheiten?Mithilfe einer historischen Diskursanalyse von fünf Fallstudien im Stadtraum Istanbul verfolgt das Forschungsprojekt das Ziel, die Konflikte um das Erbe und das Überflüssige im Konfliktfeld 'Denkmalschutz' als ethische Aushandlung besser begreifbar zu machen. Dabei gilt es, die beteiligten Akteur/innen zu identifizieren, Wandel in der diskursiven Definition des Erbes/des Überflüssigen zu dokumentieren und zu erklären und eine mögliche Konjunktur des Ethischen in den vergangenen Jahrzehnten zu prüfen.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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