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Justiz und Vorurteil. Die Angehörigen der jüdischen Minderheit vor landesherrlichen Obergerichten im 18. Jahrhundert

Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 263748629
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Rahmen des Projekts "Justiz und Vorurteil" wurde die zivilrechtliche Urteilsfindung dreier landesherrlicher Obergerichte im 18. Jahrhundert erforscht, um die Stellung der jüdischen Minderheit vor Gericht zu bestimmen. Die Analyse der Relationen des Hofrates von Jülich-Berg und des Kurkölner Hofrates sowie des Kaiserlichen Landgerichts zum Burgrafentum Nürnberg ergab, dass jüdische Parteien von diesen landesherrlichen Obergerichten - unabhängig von der konfessionellen Prägung der drei Territorien - nicht systematisch benachteiligt wurden. Ganz im Gegenteil hatten Richter kaum Möglichkeiten, zeitgenössische antijüdische Wissensbestände in die Urteilsfindung einfiießen zulassen. Allein am Kurkölner Hofrat bildete der Umgang mit der Präsumptionslehre ein Einfallstor für judenfeindliche Stereotype, das aber in allen untersuchten Prozessen letztlich von der jeweiligen fallspezifischen Beweislage verschlossen gehalten wurde. Deshalb nahm antijüdisches Wissen auch am Kurkölner Hofrat kaum Einfluss auf die Urteilsfindung. Allerdings war es den Richtern an allen drei Gerichten erlaubt, auch landesherrliche oder allgemeinrechtliche judenspezifische Normen zur Lösung eines Falles heranzuziehen. Deren Anwendung verweist zwar auf die (rechtliche) Sonderstellung der jüdischen Minderheit, führte jedoch nicht zu einer Schlechterstellung jüdischer Parteien vor Gericht. Generell verließen jüdische Parteien die Verfahren häufig als Gewinner und vertrauten den drei untersuchten Gerichten mithin soweit, dass sie selbst innerjüdische Streitigkeiten vor die Oberhöfe brachten, die dann seitens der Gerichte unter Berücksichtigung des mosaischen Rechts entschieden wurden. Die Entscheidungsfindung war an allen drei Gerichten agonal ausgestaltet. Die Richter fanden nicht mit mathematischer Präzision ihr Urteil - wie es von Cesare Beccaria postuliert worden war - sondern sie debattierten diskursiven Regeln folgend über die vor das Gericht gebrachten Fälle und gelangten so zu einem Urteil. Es waren eben jene die Debatte begrenzenden diskursiven Regeln, die eine Schlechterstellung jüdischer Parteien verhinderten und die an allen drei Gerichten ähnlich beschaffen waren. Es lässt sich abschließend festhalten, dass jüdische Parteien zumindest im Rahmen der Urteilsfindung nicht schlechter gestellt waren als christliche Parteien, dass ferner antijüdischem Wissen kaum Einfluss auf die Urteilsfindung zukam und jüdische Parteien landesherrlichen Obergerichten soweit vertrauten, dass sie auch innerjüdische Streitigkeiten vor diesen austrugen. Die territoriale Vielfalt des Alten Reiches muss jedoch auch in diesem Kontext bedacht werden: Die landesherrlichen Obergerichte im Alten Reich gelangten eben nicht gleichförmig zu ihren Urteilen, wie die Urteilsfindung des Kurkölner Hofrates im Vergleich zu der Entscheidungsfindung der anderen untersuchten Gerichte anzeigt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Überlegungen zu den lebensweltlichen Gemeinsamkeiten zwischen christlicher Mehrheit und jüdischer Minderheit in der Frühen Neuzeit; in: Pars pro toto. Historische Miniaturen zum 75. Geburtstag von Heide Wunden, hrsg. v. Alexander Jendorff und Andrea Pöhringer, Neustadt an der Aisch 2014; S. 99-111
    Stefan Brakensiek
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5167/uzh-88153)
  • Diskursive Gerichtslandschaft. Die jüdische Minderheit vor landesherrlichen Obergerichten im 18. Jahrhundert, Konstanz : UVK Verlagsgesellschaft 2020; Diss., Univ. Duisburg-Essen. 263 S.
    Patrick Berendonk
 
 

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