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Täuferische Tradition und Staatsgewalt in Deutschland, 1918 bis 1990

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 257833751
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Untersuchung hat drei der täuferischen Tradition verpflichtete Freikirchen auf der einen und die unterschiedlichen deutschen Staatsgewalten des 20. Jahrhunderts auf der anderen Seite in den Blick genommen und nach ihrem jeweiligen Verhältnis zueinander gefragt. Fokussiert wurden die wechselseitigen Positionsbestimmungen in den Etablierungsphasen neuer, auch symbolischer Ordnungen nach 1918, nach 1933 und nach 1949. Baptisten und Mennoniten haben auf die Umbrüche von 1918 und 1933 ganz unterschiedlich reagiert: Während die beiden Glaubensgemeinschaften die Genese der Weimarer Republik durch eine Revolution als Widerspruch zu ihren Glaubensüberzeugungen ablehnten, wollten sie 1933/34 in der NS-Machtübernahme eine göttliche Fügung erkennen, obwohl sie zugleich durchaus deren revolutionären Charakter identifizierten. Diese differenten Wertungen als revolutionär verstandener Systemwechsel gehen auf den Primat eines militanten Antikommunismus zurück, der sich nicht zuletzt aus den Berichten über die Verfolgung Gläubiger in Russlanz bzw. der UdSSR speiste und im Übrigen durch eine Ablehnung der kulturellen Begleiterscheinungen der Moderne verstärkt wurde. Trotz der politischen Distanz zur Revolution von 1918 haben sich Baptisten und Mennoniten in der Gründungsphase der Weimarer Republik jedoch bei Regierungs- und Parlamentsmitgliedern intensiv für ihre Interessen eingesetzt, darunter in der Frage der Anerkennung als „Körperschaft des öffentlichen Rechts“. Nach 1933 führte das Bestreben von Baptisten und Mennoniten, ihren Status zu wahren und eine staatliche Vereinnahmung abzuwehren, zur Angleichung ihrer inneren Strukturen an das „Führerprinzip“ des NS-Staates. Den staatlichen Loyalitätsforderungen (wie dem „deutschen Gruß“ oder der Partizipation an Wahlen und Festen) kamen die etablierten Glaubensgemeinschaften ohne größere Abweichungen nach, während sie vom neu-täuferischen Bruderhof, der dritten untersuchten Glaubensgemeinschaft, konsequent verweigert wurden. Die auch in der NS-Zeit fortbestehende Verweigerung der Eidesleistung seitens der Mennoniten bezog sich auf die Form, nicht auf Inhalte. Während das Regime zunächst durchaus gewillt war, diese formale Abweichung zu tolerieren, verschärfte sich der Kurs diesbezüglich unter dem Einfluß Martin Bormanns ab 1937/38. Nach 1945 verstanden Baptisten und Mennoniten beide deutsche Staaten als jeweils gottgewollte Obrigkeiten und boten ihnen Loyalität an, was die Bundesrepublik von Anfang an, die DDR nach Abklingen anfänglicher Befürchtungen, die international vernetzten Freikirchen könnten als „Agenten des Imperialismus“ agieren, akzeptierte. In der Bundesrepublik fanden die Freikirchen zudem Verständnis für ihre Vorbehalte gegenüber einigen staatlichen Forderungen (Eidesleistung, Kriegsdienstverweigerung), allerdings nicht in der Form kollektiver Privilegien der Glaubensgemeinschaften sondern als Respekt gegenüber individuellen Gewissensentscheidungen unabhängig von der konfessionellen Zugehörigkeit der betreffenden Menschen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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