Innenhochdruckfügen nicht rotationssymmetrischer Profilquerschnitte
Produktionsautomatisierung und Montagetechnik
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel des Projekts war die Erweiterung der Verfahrensgrenzen des Innenhochdruckfügens um die Möglichkeit, Profile mit nicht rotationssymmetrischen Profilquerschnitten prozesssicher fügen zu können. Positive Prozesseigenschaften wie der Verzicht auf einen Wärmeeintrag und eine einfache Prozessüberwachung motivieren die Anwendung gerade für den Bau leichtgewichtiger Tragwerkstrukturen. Die Hauptaufgabe war es somit, die physikalischen Grundlagen des Umformvorgangs zu beschreiben und Berechnungsgrundlagen für eine zielgerichtete Prozessauslegung abzuleiten. Die wesentliche technologische Aufgabenstellung bestand in der Weiterentwicklung erforderlicher Werkzeugsonden. Die entwickelten Werkzeuge für Vierkantrohre erfüllen im Grundsatz drei wesentliche Anforderungen: Eine kräftefreie Positionierung; eine einseitige Zugänglichkeit; und einen Toleranzausgleich zum Verzicht auf unwirtschaftliche Profilvorbearbeitungen. Hinsichtlich des übertragbaren Wirkmediendrucks besteht weiteres Entwicklungspotenzial. So erreichte das Werkzeugkonzept „Spreizsonde“ ca. 25 % des Druckes zum Erreichen der maximalen Verbindungsfestigkeit. Das Konzept Keilsonde erreichte ca. 44 %, nutzt allerdings nicht den gesamten Profilquerschnitt, aufgrund einer bauraumbedingten, lediglich zweiseitigen Umformung. Bei der Ovalsonde liegt der erreichbare Wirkmediendruck auch bei ca. 25 % des erforderlichen Wirkmediendrucks. Aufgrund der Umformcharakteristik des Ovalrohrs, die energetisch günstigere Kreisform anzunehmen, kommt es zu einer größeren Dichtspaltbildung und demgemäß zu einem früheren Dichtungsversagen. Für eine phänomenologische Analyse wurden zunächst experimentelle Untersuchungen an Profilen mit quadratischen sowie ovalen Querschnitten durchgeführt. Es erfolgte die geometrische Variation von Wandstärke und Überlapplänge (quadratische Profile) sowie die der Fügepartnerwerkstoffe (ovale Profile). Ergänzt wurden die Untersuchungen durch die numerische Prozessmodellierung. Beide Fügepartnergeometrien zeigten einen aus dem Fügen von Rundrohren bekannten Wirkzusammenhang. So besteht ab einer initialen Verbindungsausbildung, nach Überwindung des Fügespiels und beginnender Plastifizierung des inneren Fügepartners, ein lineares Verhältnis zwischen aufgebrachtem Wirkmediendruck pi und erreichbarem Passfugendruck p. Ab einem Grenzdruck pi,max führt eine weitere Wirkmediendruckerhöhung zu keiner signifikanten Steigerung des Passfugendrucks. Mittels der Numerik wurde dies auf die Plastifizierung des äußeren Fügepartners zurückgeführt, ab dem das elastische Rückfederungsvermögen weitestgehend ausgeschöpft wurde. Es zeigte sich, dass der erforderliche Wirkmediendruck sowie die maximal erreichbare Verbindungsfestigkeit bei einer größeren Wandstärke des äußeren Fügepartners ansteigen. Eine Erhöhung der Überlapplänge, bei konstanter Größe der Druckflächen, steigert nur begrenzt den erreichbaren Passfugendruck. Lediglich bei gleichzeitiger Vergrößerung der Druckfläche ist eine Erhöhung der Überlapplänge durch eine resultierende Reibflächenvergrößerung zielführend für die Festigkeitssteigerung. Als Ergebnis der numerischen Untersuchungen von Vierkantrohren hat sich die Biegeumformung der Profilseitenflächen als formgebendes, physikalisches Wirkprinzip herausgestellt. Hierauf basierend wurde ein analytisches Modell entwickelt, was die Berechnung wesentlicher Prozessparameter erlaubt. Die Umformung je einer Seitenfläche wird dabei durch die Bernoulli’sche Biegetheorie beschrieben. Diese ist in ihrer bekannten Form jedoch nur in der Elastizität anwendbar und wurde für das vorliegende elastisch-plastische Werkstoffverhalten erweitert. Die Wirkmediendruckgrenze pi,min wird bei beginnender Plastifizierung des inneren Fügepartners ermittelt, pi,max bei beginnender Plastifizierung des äußeren. Beide analytisch ermittelten Grenzen zeigten eine gute Übereinstimmung zum Experiment. Fertigungstechnische Relevanz hat dieses Prozessfenster bei der Auslegung von Prozess und Anlagentechnik. Die obere Druckgrenze pi,max ist dabei charakteristisch für die maximal erreichbare Verbindungsfestigkeit, welche im Experiment stets vor dem Dichtungsversagen eintritt. Neben einer Reduzierung des Aufwands an Vorversuchen verlängert sich somit auch die Dichtungsstandzeit. Ein weiterer fertigungstechnischer Nutzen ist die Prozessüberwachung. Durch den Abgleich des berechneten Wirkmediendrucks mit dem erreichten Wirkmediendruck kann unmittelbar bei Prozessende eine Aussage über den Prozesserfolg getroffen werden, ohne nachgeschaltete zerstörende Stichprobenuntersuchungen durchführen zu müssen. Das analytische Modell erlaubt außerdem die Berechnung eines mittleren Passfugendrucks p, was das Innenhochdruckfügen wirtschaftlich vergleichbar macht mit Verfahren, welche ebenfalls auf einer Bauteilverspannung beruhen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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2016. Gesenkfreies Innenhochdruckfügen von Vierkantrohren. In: 7. VDI Fachtagung Welle-Nabe-Verbindungen, 09.-10.11.2016 in Karlsruhe, S. 241-246
Müller, M., Gies, S., Tekkaya, A. E.
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(2020): Analytical process design for interference-fit joining of rectangular profiles. In: Journal of Materials Processing Technology 276, S. 116391
Müller, M., Haupt, P., Gies, S., Tekkaya, A. E.