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Response-shift-Effekte bei der Beurteilung der Lebensqualität: ein individualisierter Zugang unter Nutzung des Vignettenansatzes

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2014 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 253977389
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Response shift bedeutet Verschiebungen in den Bewertungssystemen der urteilenden Personen, woraus sich Probleme bei Längsschnittvergleichen ergeben. Im vorliegenden Projekt wurden zwei Ansätze verfolgt: der Vignettenansatz und die Thentest-Methode. Beim Vignettenansatz werden den Personen Fallvignetten vorgegeben, welche (zusätzlich zur gesundheitlichen Selbstbeurteilung) hinsichtlich des Gesundheitszustands zu beurteilen sind, woraus dann Rückschlüsse auf den Urteilsmaßstab gezogen werden können. Der Thentest bedeutet eine retrospektive Messung. Es werden Daten erhoben zu den Zeitpunkten t1 (Prätest) und t2 (Posttest), zusätzlich wird zu t2 danach gefragt, wie die Personen rückwirkend die Situation zu t1 einschätzen (Thentest). Mit Strukturgleichungsmodellen (SEM) lassen sich die Daten analysieren. Untersucht wurden drei Stichproben: 308 Brustkrebspatientinnen, 197 urologische Krebs-Patienten, und 354 Teilnehmer einer kardiologischen Reha-Maßnahme. Damit konnten die im Antrag vorgesehen Fallzahlen deutlich überschritten werden. Bei allen drei Stichproben erfolgte die t2-Erfassung drei Monate nach der t1-Erfassung. Die Vignetten-Methode erbrachte in den drei Stichproben einheitliche Ergebnisse. Die Fallvignette A mit vorwiegend körperlichen Beschwerden erwies sich als gut geeignet, um Unterschiede zwischen den Patienteneinschätzungen einerseits und Einschätzungen durch die Allgemeinbevölkerung andererseits nachzuweisen, die Effektstärken betrugen rund 0.50. Patienten tolerieren demnach mehr körperliche Beeinträchtigungen und bewerten damit Vignette A als gesünder im Vergleich zu den Einschätzungen der Allgemeinbevölkerung, was auf die geänderten Bezugssysteme verweist und Probleme beim Vergleich von Patientendaten und Daten der Allgemeinbevölkerung aufzeigt. Erwartungskonträr war das Fehlen negativer Korrelationen zwischen selbst eingeschätzter Gesundheit und Vignetteneinschätzungen innerhalb der Gruppen. Daraus folgt, dass sich mit der Vignettenmethode Urteilsverschiebungen zwar auf Gruppenebene klar nachweisen lassen, dass die Vignetteneinschätzungen aber nicht dazu genutzt werden können, individuelle Selbsturteile durch Hinzunahme von Bezugssysteminformationen über die Vignettenurteile zu qualifizieren. Die Thentest-Methode zeigte verschiedene Abweichungen zwischen Thentest und Prätest in den drei Gruppen. Bei den urologischen Krebspatienten waren die retrospektiven Thentest- Einschätzungen deutlich schlechter als die zu t1, bei den anderen beiden Gruppen war dies weniger der Fall. Erstmalig wurden in dieser Studie Strukturgleichungsmodelle nicht nur auf den Vergleich zwischen Prätest und Posttest, sondern auch auf Vergleiche mit dem Thentest angewandt. In den drei Stichproben ergaben sich dabei unterschiedliche Resultate für die Response-shift-Komponenten (uniforme und non-uniforme) Rekalibrierung sowie Repriorisierung in den verschiedenen Dimensionen der Lebensqualität. Damit können keine verallgemeinernden Aussagen bezüglich der betroffenen Dimensionen der Lebensqualität (z. B. körperliche Funktionsfähigkeit) und der Spezifik der Response-shift-Komponenten (z. B. Repriorisierung) getroffen werden. Zusammenfassend belegen die Ergebnisse die Existenz von Response-shift-Effekten, welche bei Längsschnittstudien zu berücksichtigen sind. Diese Effekte sind jedoch weder für die Lebensqualitätsbereiche noch für die Komponenten der Verschiebungen einheitlich. Der Vignettenansatz erbringt vergleichsweise klare Ergebnisse, hier liefern die Befunde auch Ansatzpunkte für die künftigen Konstruktionen geeigneter Fallvignetten. Anwendungsperspektiven ergeben sich insbesondere dort, wo eine Neubewertung der Situation im Sinne eines Copingprozesses nicht als methodisches Problem gesehen wird, sondern als anzustrebende und zu fördernde Anpassungsleistung, z. B. in der Palliativmedizin.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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