Mediatisierte Wissenschaftskommunikation in post-normalen und traditionellen Forschungsfeldern: Feldspezifische Mediatisierung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Aufgrund der großen Mühen für die Teilnehmer*innen hatten wir Befürchtungen, dass die Rekrutierung Probleme bereiten könnte. Tatsächlich stießen wir auf ein sehr positives Echo. Das Thema traf offensichtlich den Nerv der Befragten und war in ihrem Erleben des Arbeitsalltags verankert. Zudem erhoffte sich eine große Zahl der Befragten Erkenntnisse über das eigene Medienverhalten durch die Führung des Medientagebuchs und damit eine Reflexion. Nur bei den Geisteswissenschaften gab es Vorbehalte gegen eine Teilnahme. Überrascht hat uns die noch immer große Bedeutung des persönlichen Gesprächs und der E-Mail. Diese nimmt im medienvermittelten Austausch eine zentrale Rolle ein. Allerdings führt sie unter anderem aufgrund entgrenzter Arbeitszeiten und -orte zu einem erhöhten Stressempfinden von Wissenschaftler*innen. In der formellen internen Kommunikation ist der begutachtete Journalbeitrag zentral. Konzentrationsprozesse von Zeitschriften sowie leichterer Zugang zu digitalisierten Werken haben dabei zu einer Zunahme der Bedeutung der (E-)Publikation sowie des Open Access geführt. Soziale Medien erfüllen sehr unterschiedliche Funktionen. Die traditionellen Wissenschaftler*innen konzentrierten sich eher auf die Nutzung von sozialen und wissenschaftlichen Netzwerken sowie Messengerdiensten. Diese werden aufgrund der relativen Geschlossenheit der Gruppen, zur wissenschaftsinternen Kommunikation genutzt. Netzwerkseiten und Messenger führen zu einer Vermischung beruflicher und privater Bereiche, aber auch zu einem stärkeren Gemeinschaftsgefühl über nationale Grenzen hinweg führe. Academia und ResearchGate dienen sowohl der informellen als auch formellen internen Wissenschaftskommunikation. Sie werden als Informationskanäle, zum Austausch, Netzwerken sowie zum Selbst- und Publikationsmarketing genutzt. So tragen die wissenschaftlichen Netzwerke einerseits zu einer Transformation des Publikationssystems weg von der Printpublikation und hin zur elektronischen oder Open-Access-Publikation bei und erhöhen gleichzeitig die Reputation der Einzelperson, indem sie zum Publikations- und Personenmarketing verwendet werden. Microblogs und Blogs wurden für interne und externe Wissenschaftskommunikation verwendet. Bei den Microblogs war die Nutzung für interne und externe Kommunikation weitgehend ausgeglichen, während bei den Blogs die Nutzung zur öffentlichen externen Kommunikation überwog. Post-normale Wissenschaftler*innen waren aktiver in der externen Kommunikation über Blogs als ihre traditionellen Kolleg*innen und sehr aktiv auf Microblogs. Insgesamt lässt sich eine Zunahme der Relevanz sozialer Medien in der Wissenschaftskommunikation verzeichnen. Es wird versucht, die Zielgruppen der Wissenschaftskommunikation dort abzuholen, wo sie sind und externer Wissenschaftskommunikation wird mehr Bedeutung zugeschrieben. In der externen öffentlichen Kommunikation kamen vor allem klassische Massenmedien und Social Media zum Tragen, während die feldübergreifende wissenschaftsexterne Kommunikation meistens in Face-to-Face-Situationen ablief. Mit Teilnehmer*innen des Politikfeldes oft auch über Schriftwerke wie Policies, Deliverables und Reports kommuniziert, Aufmerksamkeit von Journalisten wurde über Blogs gelenkt. Mit Kunden wurde auch das persönliche Gespräch genutzt sowie das Telefon, Flyer und die E- Mail. Mediatisierung hat in fast allen Bereiche der Wissenschaftskommunikation Transformationsprozesse ausgelöst und zur Entgrenzung der Wissenschaft im Bereich der Arbeitszeiten und -orte, des privaten und beruflichen Austausch mit Kolleg*innen sowie der Kommunikation mit der Öffentlichkeit und anderen sozialen Feldern geführt. Dieses Projekt hat eine Fülle von Details über die gesamte Kommunikation von Wissenschaftler*innen sichtbar gemacht. Die Auswertung dauert noch immer an. Da der (medien-)technologische Fortschritt andauert und derzeit die Generation der Digital Natives in Führungspositionen kommt ist eine Wiederholungsstudie in 10 Jahren angebracht.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2014): Mediatisierte wissenschaftsinterne Kommunikation: Stand der Forschung und theoretische Rahmung. In: Sonderausgabe "Vom Modem zu Facebook – Wissenschaft nach 20 Jahren World Wide Web", kommunikation@gesellschaft k@g 15, 20 S.
Lüthje, Corinna
- (2015): Medienwandel - soziokultureller Wandel - Wissenschaftswandel: Transformationsfaktoren wissenschaftsinterner Kommunikation. In: Heinz Bonfadelli, Silje Kristiansen & Mike Schäfer (Hg.): Wissenschaftskommunikation im Wandel. Köln: Halem, S. 44-67
Lüthje, Corinna
- (2016): Informelle interne Wissenschaftskommunikation. In: Heinz Bonfadelli, Birte Fähnrich, Corinna Lüthje, Jutta Milde, Markus Rhomberg und Mike Schäfer (Hg.): Forschungsfeld Wissenschaftskommunikation. Wiesbaden: VS-Verlag, S. 109-124
Lüthje, Corinna
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-12898-2_6) - (2017): Der Einfluss des Feldes auf die Wissenschaftskommunikation – Eine Untersuchung des feld- und disziplinspezifischen Einsatzes von E-Publikationsformaten und sozialen Medien, in: Barbara Metzler et al. (Hg.): Von der Reflexion zur Dekonstruktion? Kategorien und Stereotype als Gegenstand junger Forschung. Beiträge zur zweiten under.docs-Fachtagung zu Kommunikation, Wien: danzig&unfried
Thiele, Franziska
- (2017): Field-specific mediatization: Testing the combination of social theory and mediatization theory using the example of scientific communication. In: Mediatization Studies 1/1
Lüthje, Corinna
(Siehe online unter https://doi.org/10.17951/ms.2017.1.45) - (2018): The Communicative Construction of Interdisciplinarity: Group Discussions with Climate Scientists. In: GAIA, 3, 2018, S. 306-311
Lüthje, Corinna & Thiele, Franziska
(Siehe online unter https://doi.org/10.14512/gaia.27.3.11)