Neuronale Basis gestörter Handlungsmotivation und -kontrolle bei Parkinsonpatienten mit Verhaltenssucht
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Vereinfacht gesagt besteht eine Verhaltenssucht, wenn eine bestimmte Tätigkeit (z.B. Glücksspiel, Gaming, Internet, oder Sex) in einem schädlichen Übermaß mit zum Teil drastischen negativen Konsequenzen für den betreffenden Menschen nicht auf Dauer unterlassen werden kann. Es ist unklar, warum es bei manchen Menschen zu Verhaltenssüchten kommt, während die meisten Menschen die betreffenden Tätigkeiten in einem unschädlichen Ausmaß durchführen. Ursächlich könnte eine Veranlagung sein, welche schon länger im Bereich des Verstärkungssystems im Gehirn vermutet wird, dessen Signale maßgeblich aus der Ausschüttung des Botenstoffs Dopamin bestehen. Interessanterweise treten bei Parkinsonpatienten Verhaltenssüchte nach Beginn einer Dopaminersatztherapie gehäuft auf, was einen mechanistischen Zusammenhang mit der Medikation vermuten lässt und das Phänomen als Modell für die Ausbildung von Sucht im Allgemeinen bedeutsam macht. Das Ziel dieses Projekts war es daher, neurobiologische Merkmale zu identifizieren, die mit der Entwicklung von Verhaltenssüchten bei Parkinsonpatienten verbunden sind. In unseren Studien konnten wir erneut belegen, dass Parkinsonpatienten mit einer medikamentös induzierten Sexsucht eine deutlich erhöhte Aktivierung des Verstärkungssystems durch visuelle sexuelle Reize aufweisen. Neu war, dass Hirnareale der Impulskontrolle bei diesen Patienten weniger stark aktiv wurden, wenn die Reize in einen hemmenden Kontext eingebettet waren. Somit konnte erstmals innerhalb einer Studie die von der amerikanischen Suchtforscherin Nora Volkow propagierte Dualität der Netzwerkstörung (gestörte Inhibition und Salienz-Attribution) bei Suchterkrankungen gezeigt werden. In Übereinstimmung mit früheren Studien aber dennoch für uns überraschend hatte allerdings die dopaminerge Medikation auf diese Effekte keinen akut messbaren Einfluss, was möglicherweise an der Kurzfristigkeit und/oder Dosis der studienbedingten Medikation lag. In einer weiteren Studie konnten wir zeigen, dass bei zu Verhaltenssüchten neigenden Parkinsonpatienten funktionelle Störungen in besagten Hirnarealen der Impulskontrolle mit einer verringerten Produktion von Dopamin im Verstärkungssystem einhergehen. Dieses Resultat stärkte die durch uns vertretene Hypothese, dass eine kritische Vulnerabilität bezüglich der Entwicklung von Suchtstörungen in einer reduzierten "Bandbreite" des Dopaminsignals im Verstärkungssystem liegt. Hierdurch kann das Verstärkungssystem zu leicht "übersteuert" oder "untersteuert" werden. Die Lehren dieses Projekts fanden unter anderem auch Eingang in eine Veröffentlichung in "Spektrum der Wissenschaft“" zum Thema "Dopaminfasten" (https://www.spektrum.de/news/hype-oder-hilfe-was-bringt-dopaminfasten/1728008).
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Impulsivity is Associated with Increased Metabolism in the Fronto-Insular Network in Parkinson's Disease. Front Behav Neurosci. 2015; 9:317
Tahmasian M, Rochhausen L, Maier F, et al.
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Medikamenteninduzierte Impulskontrollstörungen beim Morbus Parkinson. Neues zu Diagnostik und Therapie. Current congress. 9. Deutscher Parkinson-Kongress. 2015
van Eimeren T.
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It's all about gains: Risk preferences in problem gambling. J Exp Psychol Gen. 2018; 147(8):1241- 1255
Ring P, Probst CC, Neyse L, Wolff S, Kaernbach C, van Eimeren T, Camerer CF, Schmidt U
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Dopamine metabolism of the nucleus accumbens and fronto-striatal connectivity modulate impulse control. Brain. 2019; 142(3):733-743
Hammes J, Theis H, Giehl K, Hoenig MC, Greuel A, Tittgemeyer M, Timmermann L, Fink GR, Drzezga A, Eggers C, van Eimeren T
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MINC faculty. Connectomics and molecular imaging in neurodegeneration. Eur J Nucl Med Mol Imaging. 2019; 46(13):2819-2830
Bischof GN, Ewers M, Franzmeier N, Grothe MJ, Hoenig M, Kocagoncu E, Neitzel J, Rowe JB, Strafella A, Drzezga A, van Eimeren T
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Overlapping and distinct neural metabolic patterns related to impulsivity and hypomania in Parkinson's disease. Brain Imaging Behav. 2019; 13(1):241-254
Schwartz F, Tahmasian M, Maier F, Rochhausen L, Schnorrenberg KL, Samea F, Seemiller J, Zarei M, Sorg C, Drzezga A, Timmermann L, Meyer TD, van Eimeren T, Eggers C