IRIS (Implementation von Rechtsvorschriften zum gewerblichen Immissionsschutz in der Stadtplanung)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Für die materielle Wirksamkeit von Rechtsvorschriften sind die konkrete Anwendung und die Ausgestaltung in der Planungspraxis entscheidend. Jedoch lassen sich aufgrund von Ermessensspielräumen große Unterschiede in der Anwendung feststellen, die theoretisch bislang nur unzureichend erklärt wurden. Ziel des Forschungsvorhabens war es zu untersuchen, wie Rechtsnormen zum gewerblichen Immissionsschutz von Akteuren der kommunalen Planung umgesetzt werden und wie sich unterschiedliche Herangehensweisen und Interpretationen der Rechtsnormen erklären lassen. Als konkrete Untersuchungsgegenstände wurden die Rechtsnormen zum Schutz vor Gewerbelärm sowie zum Störfallschutz ausgewählt. Zu Beginn des Projekts wurden bspw. Beobachtungen in Fortbildungsveranstaltungen für Planerinnen und Planer, Expertengespräche, eine Auswertung von Gerichtsurteilen und eine Onlineumfrage in den Planungsverwaltungen deutscher Städte über 20.000 durchgeführt. Diese dienten dazu, zunächst einmal zu ermitteln, wie die Rechtsnormen des Lärm- und Störfallschutzes in der kommunalen Praxis angewendet werden. Es wurde untersucht, wie die kommunalen Planungsämter ihre Handlungsspielräume nutzen und welchen Unsicherheiten sie dabei unterliegen. Die Ergebnisse zeigten ein breit gefächertes Bild der Interpretation und Anwendung der Rechtsvorschriften. Die Gliederung von Baugebieten nach Art der zulässigen Nutzung oder nach Art der Betriebe und Anlagen (nach § 1 Abs. 4-10 BauNVO) wird in fast allen Kommunen praktiziert. Zum planerischen Handwerkszeug gehört in der Regel auch die Festsetzung von Lärmkontingenten (LEK) bzw. flächenbezogenen Schalleistungspegel (IFSP). Weniger häufig setzen die Kommunen aber beispielsweise passive Schutzmaßnahmen gegen Gewerbelärm und zur Störfallvorsorge fest. Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung wurden beispielsweise im Umgang mit sehr alten Betriebsgenehmigungen deutlich. Überraschend schätzte sich ein nicht unerheblicher Anteil der Kommunen nur als eingeschränkt sicher bei der Anwendung der Rechtsvorschriften ein. Anschließend konzentrierte sich die Projektarbeit auf die Ermittlung zentraler Einflussfaktoren aus die Auslegung der Rechtsvorschriften. Hierzu wurde die Rechtsanwendung in 15 ausgewählten deutschen Kommunen in Fallstudien eingehender untersucht. Es wurden qualitative Gruppeninterviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Planungsverwaltungen, der Bauordnungsämter und/oder den Immissionsschutzbehörden geführt. Es wurde deutlich, dass in vielen Kommunen bestehende räumliche Konfliktsituationen zwischen Wohn- und Gewerbenutzungen sowie ein Mangel an Potenzialflächen zwar relativ unveränderliche Einflussfaktoren darstellen, aber die Auseinandersetzung mit den Rechtsvorschriften intensivieren. Neben den zur Verfügung stehenden personellen und finanziellen Ressourcen beeinflussen auch zur Kenntnis genommene technische Regelwerke und Arbeitshilfen die Rechtsanwendung in besonderem Maße. Ein kontinuierlicher Austausch mit anderen Ämtern und Behörden scheint die Rechtsanwendung positiv zu beeinflussen. Nicht unerwartet, im Ausmaß aber doch überraschend, ist der große Einfluss von Fachgutachtern. Viele Kommunen verlassen sich bei der Ausübung ihrer planerischen Gestaltungsfreiheiten auf die Expertise der Gutachter, deren Vorschläge häufig unverändert übernommen werden. Zum Ende des Projekts wurden aus den zuvor gewonnenen Erkenntnissen Empfehlungen zur Verbesserung der Rechtsanwendung formuliert. Hier können beispielsweise die Aufbereitung guter Beispiele für den konkreten Einsatz von Planungsinstrumenten sowie die Entwicklung von Wegen zum Erfahrungsaustausch auf der Arbeitsebene (inter- und intrakommunal) als zwei Möglichkeiten benannt werden, welche die Sicherheit bei der Rechtsanwendung verbessern würden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2019) Leadership roles in local land-use planning for noise control. The Town Planning Review 9 (3) 275-297
Lamker, Christian
(Siehe online unter https://doi.org/10.3828/TPR.2019.19) - (2015). Umsetzung rechtlicher Anforderungen in der Bauleitplanung am Beispiel der Seveso-II-Richtlinie. Dissertation. Technische Universität Dortmund, Dortmund
Schoppengerd, Johanna
(Siehe online unter https://dx.doi.org/10.17877/DE290R-16293) - (2017). Gewerbelärm contra Nutzungsmischung – zur Praxistauglichkeit des Urbanen Gebietes. RaumPlanung (190): 14–20
Lamker, Christian W.; Rüdiger, Andrea & Schoppengerd, Johanna
- (2018). Implementation von Rechtsvorschriften zum gewerblichen Immissionsschutz in der Stadtplanung: Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt IRIS (SRPaper 4). Dortmund
Baumgart, Sabine; Köckler, Heike; Lamker, Christian Wilhelm; Rüdiger, Andrea; Schoppengerd, Johanna & Sieber, Raphael
(Siehe online unter https://dx.doi.org/10.17877/DE290R-18349) - Einflussfaktoren auf den Planungsalltag: Protest – Zusammenarbeit – Desinteresse? In Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) (Hrsg.), „Bitte wenden Sie!“ - Herausforderungen und Chancen der Energiewende. Hannover 2018, 39 - 51
Lamker, Christian W.
- Einflussfaktoren auf kommunales Planungshandeln – Ansatzpunkte zum verbesserten Umgang mit schleichenden Gesundheitsrisiken. In S. Baumgart, H. Köckler, A. Ritzinger, & A. Rüdiger (Hrsg.), Planung für Gesundheitsfördernde Stadtregionen: Anstöße aus Forsch
Lamker, Christian W. & Rüdiger, Andrea