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Die Ordnungen der evangelischen Trauung angesichts des Wandels von Kultur und Recht der Eheschließung

Fachliche Zuordnung Evangelische Theologie
Förderung Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 248414384
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Projekt hat die Theologin Hanna Lausen die Wechselwirkungen zwischen den gesellschaftlichen, den politischen und den kirchlichen Diskussionen über die Eheschließung erforscht, und zwar fokussiert auf die rechtlichen Dimensionen dieser Diskurse. Im Fokus standen also die rechtspolitischen Debatten in der Bundesrepublik seit 1949, sowie deren kirchliche Prägung wie deren kirchliche Rezeption in einschlägigen Positionspapieren, Kirchenordnungen und gottesdienstlichen Agenden zur Trauung. Ein Seitenblick galt den Entwicklungen des Ehe- und Trauungsrechts in der DDR und den dortigen evangelischen Kirchen. Mittels einer historischen Diskursanalyse (nach Achim Landwehr), ergänzt durch eine akteursorientierte Perspektive, wurden in den umfangreichen öffentlichen wie kircheninternen Debatten drei Diskursfelder identifiziert: das (rechtliche und theologische) Verständnis der Ehe, besonders angesichts der grundgesetzlich verbrieften Gleichberechtigung von Frauen; das Verständnis und die gottesdienstliche Gestaltung der evangelischen Trauung, im Verhältnis zur Ziviltrauung; und die Neuregelung des Scheidungsrechts samt seinen Folgen für die evangelische Traupraxis. In allen drei Feldern zeigen sich, bis in die 1970er Jahre, enge Verflechtungen zwischen politischen und kirchlichen Kommissionen, bestimmten gut vernetzten Akteur/innen, und gängigen ethisch-theologischen Argumentationsmustern, und zwar sowohl im Gegenüber von staatlicher Rechtspolitik und der Evangelischen Kirche in Deutschland, als auch in den evang.-konfessionellen Kirchenbünden und in vielen Landeskirchen. Wichtige Theoriefiguren betrafen und betreffen das Verständnis von ehelicher „Institution“ und „Verantwortung“, von individueller „Deklaration“ und kirchlicher „Segnung“ der Ehe, und deren „Unauflöslichkeit“ bzw. „Verlässlichkeit“. Besonders überraschend ist der Nachweis, dass bestimmte Muster der kirchlichen Argumentation, die in den 1950er Jahren ausgebildet wurden, bis in die jüngsten Stellungnahmen nachzuweisen sind. Das betrifft zum einen den kirchlichen Anspruch, eine aus Bibel und Bekenntnis entnommene, überzeitliche Wahrheit bzgl. Ehe und Eheschließung für die ganze Gesellschaft verbindlich machen zu können, und zum anderen die Vorstellung, die evangelische Trauung erlange ihre normative Geltung sowie ihre religiöse Wirkung durch die Festlegung bestimmter ‚wesentlicher‘ Elemente, etwa der – als Bekenntnisfragen gedeuteten – Traufragen oder der Zitation bestimmter biblischer Texte. Diese Argumentationsmuster prägen noch die kirchlichen Äußerungen zur „Ehe für alle“ bzw. zur „Trauung für alle“, obwohl sie – auch innertheologisch – mehr und mehr an Plausibilität verloren haben. Hieran schließen sich wichtige Fragen zur Hermeneutik und Rhetorik der sog. ‚Öffentlichen Theologie‘ an. Für die Praktische Theologie der Trauung, wie der kirchlichen Kasualien (Gottesdienste anlässlich von Lebenswenden wie Geburt, Einschulung, Mündigkeit, Eheschließung und Bestattung) überhaupt, zeigt die Untersuchung zudem, dass die gängigen kulturwissenschaftlichen sowie theologischen Deutungsperspektiven produktiv zu ergänzen sind durch die Einbeziehung rechtswissenschaftlicher Perspektiven. Die ohnehin schon ausgeprägte Interdisziplinarität der PraktischenTheologie wird auf diese Weise noch einmal nachhaltig erweitert. Ausweislich einiger Einladungen der Verfasserin zu Tagungen stößt diese Untersuchung nicht nur in den kirchlich-theologischen Kasual-Debatten, sondern auch in der historischen Rechtswissenschaft auf Interesse.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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