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Völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit. Formen zwischenstaatlicher Konfliktlösung (1860 bis 1930)

Antragsteller Dr. Jakob Zollmann
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Grundlagen des Rechts und der Rechtswissenschaft
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 247185984
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel des Projekts war es, die Praxis völkerrechtlicher Schiedsgerichtsbarkeit sowie die Friedensbewegung und deren Hoffnung auf Pazifizierung durch Verrechtlichung im Kontext des späten 19. bis in die Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts zu analysieren und monographisch zur Darstellung zu bringen. Im Rahmen dieses Projekts wurde der Begriff „völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit“ möglichst weit definiert als eine Form verbindlicher Streitbeilegung zwischen Staaten/Souveränen durch von diesen selbst gewählte (neutrale) Schiedsrichter, die den Streit unter Rückgriff auf völkerrechtliche Normen und Argumente beizulegen versuchten. Die Geschichte der Schiedsgerichtsbarkeit beschreibt einen Ausschnitt aus der Geschichte einer sich etablierenden Weltgesellschaft seit dem 19. Jahrhundert. Die Untersuchung der schiedsgerichtlichen Praxis zeigte den klaren Bedeutungszuwachs völkerrechtlicher Schiedsgerichtsbarkeit seit der Mitte des 19. Jahrhunderts – und zwar über Westeuropa und den nordatlantischen Raum hinaus. Im Zeitraum 1800–1900 waren 40 Staaten, rund die Hälfte davon aus Lateinamerika, an mindestens einem Schiedsverfahren beteiligt. Dieser Bedeutungszuwachs ging einher mit einem beachtlichen gesellschaftlichen und (in den demokratisch verfassten Staaten) parlamentarischen Rückhalt der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit. Zugleich ließ sich im Untersuchungszeitraum eine wachsende Verrechtlichung der Konfliktlösung zwischen Staaten belegen, die sowohl in den Schiedsverfahren selbst als auch in den Begründungen für die Schiedsentscheidungen erkennbar wird. Seit dem späten 19. Jahrhundert begründeten die Schiedsrichter ihre Entscheidungen zunehmend mit Normen und Präzedenzfällen – womit sie zum Ausdruck brachten, dass sie einen Streit nicht (mehr) ex aequo et bono schlichteten, sondern nach Rechtsgrundsätzen entschieden und also ein quasi-Gerichtsurteil fällten und dieses der Nachwelt zur Überprüfung schriftlich überließen. Auch die juristische Ausbildung und die Berufswege der von Regierungen beauftragten Schiedsrichter, Staatsvertreter und sonstiger Akteure in den völkerrechtlichen Schiedsverfahren zeugen von der personellen und institutionellen Professionalisierung der Schiedsgerichtsbarkeit. Die Gründe für den Bedeutungszuwachs völkerrechtlicher Schiedsgerichtsbarkeit sind weniger in der Einwirkung der Öffentlichkeit, besonders der Friedensbewegung, auf ihre Regierungen zu suchen, als in den Praktikabilitätserwägungen der politisch verantwortlichen Akteure. In den Debatten um die Entscheidung, einen Konflikt durch Dritte beilegen zu lassen, erkannten sie den Vorteil, besonders komplex erscheinende Sachverhalte/Konflikte einem “neutralen” Gremium zur Entscheidung vorzulegen und damit auch die Verantwortung für etwaige daraus folgende unpopuläre Maßnahmen abzugeben. Diese politische Motivation für die Einrichtung von Schiedsinstitutionen erwies sich auch als maßgeblich bei Spezialfällen der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit, die im Rahmen dieser Untersuchung analysiert wurden; insbesondere bei der Austrägalgerichtsbarkeit des Deutschen Bundes und den Gemischten Schiedsgerichten, die in Europa nach 1919 aufgrund des Versailler Vertrages eingerichtet wurden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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