Die Nuklearkrise: Politischer Protest, Populärkultur und politische Kommunikation in den 1980er Jahren
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt fragte anhand der Auseinandersetzung über Nuklearwaffen und den NATO-Doppelbeschluss nach Querverbindungen zwischen kulturellem und gesellschaftlichem Wandel, politischem Protest und etablierter Politik. Es untersuchte die Genese „neuer“ Muster politischer Kommunikation und politischen Agierens während der Umbrüche der 1970er und 1980er Jahre. Die internationalen Krisen dieser Zeit bildeten hierfür den ereignisgeschichtlichen Ausgangspunkt: Durch militärtechnische Modernisierungen und Rüstungsschübe, das sowjetische Expansionsstreben in der „Dritten Welt“ und die neokonservative Wende der US-Außenpolitik wurden westdeutsche Hoffnungen auf eine Fortdauer der Entspannungsphase enttäuscht. Wie sich diese Krisen auf das bundesrepublikanische Selbstverständnis auswirkten, war die zentrale Fragestellung des Projekts. Eines der beiden von der DFG geförderten Dissertationsvorhaben beschäftigte sich mit den gewaltfreien Protesten und Blockaden gegen die Stationierung der nuklearen Pershing-II-Raketen in Mutlangen von 1983 bis 1987. Die Friedensbewegung resignierte auch nach dem Stationierungsbeschluss im November 1983 nicht, sondern lebte vor allem auf lokaler Ebene weiter und setzte so nicht zuletzt durch eine neuartige „Proteststrategie“ (Sitzblockaden) weitere deutliche Impulse auf das Tempo, die Richtung und die Intensität des sozialen Wandels der 1980er Jahre. Mutlangen wurde daher zu einem medialen Fokus der deutschen Friedensbewegung bis 1987. Das zweite Teilprojekt stellte dar, wie die CDU/CSU die Friedensbewegung als Herausforderung wahrnahm und darauf reagierte. Dabei stand die direkte Auseinandersetzung der Partei mit der Friedensbewegung im Zentrum der Untersuchung, fand doch die Friedensbewegung bis weit in konservativ-christliche Kernmilieus hinein Zuspruch. Es wurde untersucht, wie die Kommunikation von Inhalten aus der Partei in die Bevölkerung erfolgte, um Wahlerfolg und Machterhalt zu garantieren; welche Maßnahmen die Union selbst ergriff, um der Verunsicherung an der Parteibasis zu begegnen und wie sich konservatives Selbstverständnis hierdurch veränderte. Indes machte das Projekt deutlich, dass die direkte Interaktion zwischen Union und Friedensbewegung äußerst gering war. Im Sommer 2017 berichtete das Rhein-Neckar-Fernsehen (RNF) über den Lehrstuhl für Zeitgeschichte der Universität Mannheim und über das Projekt „Nuklearkrise“. Im Sommer 2017 berichtete die Rems-Zeitung ausführlich über Richard Rohrmoser und sein Dissertationsprojekt. Der Antragssteller hat zahlreiche Interviews zur Protestgeschichte, zum NATO-Doppelbeschluss sowie zur Friedensbewegung der 1980er Jahre gegeben, u.a. auf Tagesschau.de sowie in den SWR-Nachrichten.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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The Nuclear Crisis: The Arms Race, Cold War Anxiety, and the German Peace Movement of the 1980s (New York: Berghahn Books, 2016, Paperback 2020)
Becker-Schaum, Christoph/Gassert, Philipp/Klimke, Martin/Mausbach, Wilfried/Zepp, Marianne (Hg.)
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Die unerhörte Friedensbewegung. Frauen, Krieg und Frieden in der Nachrüstungsdebatte (1979-1983), Essen: Klartext 2018
Bieschke, Anne
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Bewegte Gesellschaft. Deutsche Protestgeschichte seit 1945, Stuttgart: Kohlhammer 2018, 2. Auflage, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2019
Gassert, Philipp
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Rüstung, Bündnissolidarität und Kampf um den Frieden: Lässt sich aus der Geschichte des NATO-Doppelbeschlusses von 1979 etwas lernen? In: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 18/19, 2019, S. 9-14
Gassert, Philipp
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West German Politics, the INF Treaty, and the Popular Dynamics of Peace, in: Philipp Gassert, Tim Geiger, Hermann Wentker (Hg.), The INF Treaty of 1987: A Re-Appraisal, Göttingen 2021, S. 259-274
Gassert, Philipp