Detailseite
Projekt Druckansicht

Das "dunkle Zeitalter" der Teilchenphysik: Isospin, Strangeness und die Entstehung physikalisch-mathematischer Begriffe in der Zeit vor dem Standardmodell (1950-1965)

Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2013 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 244764109
 
Das Projekt beabsichtigt eine systematische Untersuchung der Wissensproduktion in der Teilchenphysik der 1950er und '60er Jahren. In jener Zeit wurden unerwartete experimentelle Ergebnisse als "neue" Teilchen mit "neuen" Eigenschaften konzeptuell erfasst. Unter den neuen Konzepten waren auch "Isospin" und "Strangeness", sowie andere physikalisch-mathematische Begriffe, die später in das Standardmodell eingebettet wurden, als es in den 1970ern als die erste - und bisher erfolgreichste - Theorie der Teilchenphänomene entstand. Seit jener Zeit gilt die Epoche vor dem Standardmodell als eine Art "dunkles Zeitalter" der Teilchenphysik: Eine lange Phase theoretischer Unsicherheit und verwirrender experimenteller Vielfalt, die erst mir dem Aufkommen des Standardmodells zu Ende kam. Das Projekt beabsichtigt eine kritische Neubewertung dieser Ansicht und stellt zugleich die erste umfassende historische Analyse dar, die sich mit den konzeptuellen Entwicklungen der 1950er und '60er Jahre als selbständigem historischem Komplex beschäftigt und sie nicht bloß als ein "Vorspiel" auf das Standardmodell betrachtet.Das Projekt zeichnet sich durch einen innovativen Fokus auf Konzeptentstehung eher als auf Theoriekonstruktion aus und erforscht die Dynamik der Formierung und Entwicklung von Isospin und Strangeness - ein Thema, das bisher nur in einer weitgehend oberflächlicher Art und Weise behandelt wurde. Jene zwei neuen Quantenzahlen stellten in der Tat "neue und empirisch nützliche analytische Werkzeuge dar, um die Eigenschaften der vielen in den 1950ern neuentdeckten Teilchen zu verstehen" (Pickering). Jedoch war die Erfassung experimenteller Resultate in Form der Konzepten von Isospin und Strangeness keine rein empirisch motivierte theoretische Erfindung, sondern ein komplexer dynamischer Prozess: Einerseits trieben experimentelle Ergebnisse Entwicklungen voran, die zu Entstehung neuer experimentellen Forschung führten, andererseits diente der herkömmliche konzeptuelle und theoretische Bestand als Grundlage für die eigene Umdeutung und für den Aufbau neuer Traditionen. Dieser Prozess muss sorgfältig kontextualisiert und erforscht werden, insbesondere in seinem Bezug zu den Praktikern der Theoretiker und der Experimentalphysiker. Das Vorhaben betrachtet den Entstehungsprozess der Konzepte von Isospin und Strangeness als Ort der vielfältigen Wechselwirkung von theoretischen und experimentellen Praktiken und geht so über die Grenzen einer Disziplingeschichte hinaus, um einen zentralen Beitrag zur breiteren historisch-philosophischen Diskussion über die Dynamik der Formierung naturwissenschaftlicher Begriffe und über die Beziehung zwischen Theorie und Experiment zu liefern.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung