Ungleiche Anerkennung?"Arbeit" und "Liebe" im Lebenszusammenhang prekär Beschäftigter
Soziologische Theorie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Seit einigen Jahren gewinnt die ‚Prekarisierung‘ von Erwerbsarbeit Aufmerksamkeit. Die soziologische Prekarisierungsforschung nimmt hierbei aber oft einen auf einzelne Individuen und auf Erwerbsarbeit fokussierten Blick ein. Doch prekäre Beschäftigung ist nicht nur häufig mit geringem Einkommen, sondern auch mit weniger Anerkennungschancen verbunden. Anerkennungsdefizite prekärer Beschäftigung sind jedoch bisher kaum untersucht, ebenso die sozialen Folgen prekärer Beschäftigung im Lebenszusammenhang und für die Geschlechterverhältnisse. Das Vorhaben entwickelte eine anerkennungs- und geschlechtertheoretische Perspektive auf prekäre Beschäftigung im Lebenszusammenhang. Im Zentrum standen die interaktive (Paar-)Praxis der Herstellung von Anerkennung und von (Geschlechter-)Ungleichheiten bei prekär Beschäftigten mit und ohne Paarbeziehung. In Verbindung der Prekarisierungs- und Anerkennungsforschung im Anschluss an Axel Honneth und Judith Butler wurden die Wechselwirkungen von prekärer Beschäftigung mit Paar- und Nahbeziehungen, dem Haushaltskontext, weiteren Lebensbereichen und mit Geschlechterkonzepten und dem Geschlechterverhältnis untersucht. Mittels qualitativer Paar- und Einzelinterviews und in einer konsequent rekonstruktiv-intersubjektiven Forschungslogik rekonstruierte das Projekt Anerkennungschancen, das Verhältnis von ‚Arbeit‘ und ‚Leben‘ / ‚Liebe‘ sowie (Geschlechter-)Ungleichheiten bei prekär Beschäftigten erforschen. Die Ergebnisse zeigen, dass Prekarisierungs- und (Nicht-)Anerkennungsprozesse in den verschiedenen Dimensionen des Lebenszusammenhangs keine einseitig kausalen Phänomene darstellen. Der Vergleich der Paare und Singles zeigt, dass bei den Paaren Nichtanerkennung in der beruflichen Sphäre im Paar teils aufgefangen werden kann, teils aber – vergeschlechtlicht – zu Konflikten und weiterer Nichtanerkennung führt. Bei den sogenannten Singles rekonstruierten wir Fälle, in denen eine zu Erwerbsarbeit alternative Sinnorientierung nicht existiert oder destruktiv ausfällt. Kompensationsversuche durch alternative Formen von Vergemeinschaftungen sind häufig fragil. Zwei der acht Befragten hingegen verfügen über eine (biographisch bedingte) berufliche ‚Nichtanerkennungsresistenz‘ und können subjektiven Sinn und Anerkennung auch jenseits von prekärer Erwerbsarbeit und (einer nicht vorhandenen) Partnerschaft generieren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2015): Prekarisierung. Bielefeld: transcript
Motakef, Mona
- (2015): „Prekäre Selbstverständlichkeiten – alte und neue Ungleichheiten. Prekarisierungstheoretische Überlegungen zu Diskursen der Anti-Gleichstellungspolitik und Anti-Geschlechterforschung. Zehn Thesen“. In: Sabine Hark und Paula-Irene Villa (Hrsg.): Sex und Gender. Sozial- und kulturwissenschaftliche Analysen symptomatischer Empörungen. Bielefeld: transcript, 41-57 (2. Auflage 2017)
Wimbauer, Christine, Mona Motakef, Julia Teschlade
- (2017): Das Paarinterview. Methodologie – Methode – Methodenpraxis. Wiesbaden: Springer VS
Wimbauer, Christine und Mona Motakef
- (2017): „Das Paarinterview in der soziologischen Paarforschung. Method-(olog)ische und forschungspraktische Überlegungen“. Forum Qualitative Sozialforschung 18(2), Art. 4
Wimbauer, Christine und Mona Motakef
- (2017): „Paarbeziehungen: Paare und Ungleichheiten als Gegenstand der Geschlechterforschung“. In: Beate Kortendiek, Birgit Riegraf, Katja Sabisch (Hrsg.): Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung. Wiesbaden: Springer VS
Wimbauer, Christine und Mona Motakef
(Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1007/978-3-658-12500-4_62-1) - (2017): „Prekarisierung von Arbeit: erweiterte Perspektiven der Geschlechterforschung“. Beate Kortendiek, Birgit Riegraf, Katja Sabisch (Hrsg.): Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung. Wiesbaden: Springer VS
Mona Motakef und Christine Wimbauer
(Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1007/978-3-658-12500-4_50-1) - (2018): „Prekäre Beschäftigung – prekäre Nahbeziehungen – prekäre (Selbst)Sorge? Ambivalenzen von Nicht/Anerkennung im Lebenszusammenhang prekär Beschäftigter." In: Mechthild Bereswill, Christine Burmeister und Claudia Equit (Hrsg.): Bewältigung von Nicht
Wimbauer, Christine, Mona Motakef