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Die Individualität der Celebrity. Eine Mediengeschichte des Interviews
Antragsteller
Professor Dr. Jens Ruchatz
Fachliche Zuordnung
Theater- und Medienwissenschaften
Förderung
Förderung von 2013 bis 2015
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 242577728
Das Ziel des vorliegenden Bandes besteht darin, die Gattungsgeschichte des journalistischen Interviews als Mediengeschichte zu rekonstruieren. Dabei geht es nicht einfach darum, eine offensichtliche Forschungslücke zu schließen, sondern darum Gesellschafts- und Mediengeschichte so engzuführen, dass sich auch die Frage beantworten lässt, warum sich das Interview in den letzten 150 Jahren so erfolgreich medienübergreifend durchsetzen konnte. Die Gattungsgeschichte wird dabei verstanden als Beobachtung der diskursiven Konstruktion im historischen Verlauf. Das besondere Augenmerk liegt hierbei darauf, welchen Rejustierungen und Aktualisierungen das Interview an den jeweiligen Medienumbrüchen unterzogen wird, wobei Interview und Medium einander wechselseitig bestimmen und das jeweils neue Medium als idealer Erfüllungsgehilfe vorgestellt wird. Zwar vollzieht die Gattung wesentliche formale Änderungen und medienbedingte Ausdifferenzierungen, doch bleibt letztlich über die gesamte Geschichte des Interviews hinweg ein generisch garantiertes Versprechen kennzeichnend: als authentische Wiedergabe eines Gesprächs die Authentizität der befragten Person zu erfassen, indem die öffentliche Fassade hin zum authentischen, privaten Wesenskern durchbrechen wird.Darauf aufbauend lässt sich zeigen, wie sehr dieses Gattungsversprechen mit der im frühen 19. Jahrhundert aufkommenden Figur der, celebrity' konvergiert. Die Celebrity - hier perspektiviert als die öffentlich verhandelte und jeweils individuelle Integration eines öffentlichen und eines privaten, eines gespielten und eines, authentischen' Ich - bedarf einer massenmedial distribuierbaren Textform, die eben diese Einheit performativ herstellt. Eine dritte strukturelle Kongruenz lässt sich schließlich auf dem Gebiet moderner Individualität feststellen. Wenn allen, um es mit Luhmann zu formulieren, zugemutet wird sich als Individuen, also als kohärente und einzigartige Wesen zu beschreiben, dann geht es erneut um die Austarierung des Verhältnisses der öffentlichen, sozialen Personae und der privaten, vermeintlich ,authentischen' Person. ln diesem Kontext erweisen sich die in der Gattung Interview in der Regel angebotenen, kollaborativ erstellten Selbstbeschreibungen von Celebrities als Folien, die exemplarisch machen, wie man sich in sozialen Zusammenhängen als Individuum beschreiben kann. Das Interview fungiert mithin als Gattung, die durch die an ihre spezifische Gestalt gehefteten Zuschreibungen eine gesellschaftliche Leistung erbringt, eben in Bezug auf diesen Rahmen aber zugleich Gattungs- und Medienspezifik verhandelbar macht. Hiermit versteht sich die hier vorgelegte Darstellung auch als Alternative zu publizistikgeschichtlichen Ansätzen, die bislang die Geschichte des Interviews bisher ohnehin außer Acht gelassen haben.
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen