Denkformen der volta im englischen Sonett von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart: eine Phänomenologie der poetischen Form
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Wenngleich Fragen der poetischen Form in jüngster Zeit wieder in den Blickpunkt gerückt sind, gibt es bisher wenige Studien, die sich umfassend den diachronen Veränderungen poetischer Form widmen. Jüngst hat Simon Jarvis in seinem Aufsatz "What is Historical Poetics?" angemahnt, dass Forschung in der Lyrik die Techniken des poetischen Schreibens wieder stärker fokussieren muss: "Historical poetics needs above all to be wary of thinking that it can exit from the painful difficulty of specifying the history of verse technique by filling that space up with representations, with the way in which verse has been talked about, mediated, and distributed." Diese Einschätzung gilt insbesondere auch für die Sonettform, die in der Regel noch reduktiv als vierzehnzeiliges Gedicht begriffen wird, das sich mit Inhalt füllen lässt. Trotz der herausragenden Stellung dieser Gedichtform in der europäischen Literaturgeschichte gibt es wenige diachrone Studien, die die Form dieser lyrischen Gattung untersuchen. Abgesehen vom Cambridge Companion to the Sonnet (2011) sowie der Monographie Topik des Sonetts (2009) von Thomas Borgstedt - die allerdings ausschließlich italienische und deutsche Sonette betrachtet - liegen zwar Forschungsbeitrage vor, die auf poetologische und gattungstheoretische Überlegungen zur Sonettform eingehen, es mangelt jedoch an einer umfassenden Analyse der dynamischen Form des englischen Sonetts aus phänomenologischer Perspektive. In Kooperation mit Angela Leighton ist im Rahmen dieses Forschungsprojekts ein Beitrag geleistet worden, diese Lücke zu schließen. Die diachrone Betrachtung der volta resultiert in einer konzeptionell anschiussfähigen Analyse der Formsprache der Lyrik im allgemeinen und des Sonetts im speziellen, die auch die Chancen und Grenzen neuerer kognitionswissenschaftlicher Untersuchungen aufzeigen kann. Mit Rückgriff auf Cassirers Philosophie der symbolischen Formen geht diese Studie davon aus, dass das englische Sonett entscheidend durch seine dynamische Form bestimmt wird, welche wiederum wesentlich auf der volta als Gelenkstelle beruht. Somit kann als - wenngleich verkürztes, zugespitztes - Ergebnis der Untersuchung gelten, dass nicht die vierzehnzeilige Organisation mit derjeweils tradierten Binnenstruktur ein Gedicht zu einem Sonett macht, sondem seine phänomenologische Gestalt, die wesentlich von der volta und ihrer dynamischen Form ausgeht.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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"(Mis-)Representations of Darwin's Origin: Evolutionary Master Narratives in The Sea (2005) and The Secret Scripture (2008)." Reflecting on Darwin: Victorian and Neo-Victorian Responses to Evolutionism. Eds. Monika Maria Pietrzak-Franger, Barbara Schaff, Eckart Voigts-Virchow. Farnham: Ashgate, 2014. 113-128
Felix Sprang
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"Disastrous Birth-Nights. Childbed and Child-Birth in the Nineteenth-Century Novel. Reflections on Gender and Medicalisation." Gender and Disease / Geschlecht und Erkrankung, Hg. Anne Zwierlein und Iris Heid. Heidelberg: Winter, 2014. 89-108
Felix Sprang