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Die pädagogisch-didaktische Transformation der nationalsozialistischen Ideologie in den Fibeln des Nationalsozialismus

Fachliche Zuordnung Allgemeine und Historische Erziehungswissenschaft
Förderung Förderung von 2013 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 237526463
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus richtet sich das Forschungsinteresse in den letzten Jahren verstärkt auf die Rekonstruktion der sozialen Praktiken zur Herstellung der ‚Volksgemeinschaft‘ im Spannungsfeld der Konstitution von Zugehörigkeit und gewaltförmigem Ausschluss. Aus pädagogischer Perspektive ist in diesem Zusammenhang die Frage von Interesse, wie die Kinder in die generationale Ordnung eingebunden und auf die künftige Mitwirkung in der ‚Volksgemeinschaft’ vorbereitet werden sollten. In dem hier vorzustellenden Forschungsvorhaben wurde diese Problemstellung in Bezug auf die Inhalte und die Methoden nationalsozialistischer Erziehung im Leselehrgang der Volksschulunterstufe untersucht. Im Zentrum der Analyse standen dabei die Mechanismen der Indoktrination als methodisch-didaktische Ausgestaltung der Formierung des ‚deutschen Kindes‘. Um diesen Prozess in seinem Bedingungsgefüge erfassen zu können, orientierte sich die Untersuchung an einem im Rahmen des Projektes weiterentwickelten Konzept der historischen Unterrichts- und Kindheitsforschung, mit dem das unterrichtliche Handeln im Kontext der „Grammar of Schooling“ (Tyack/Tobin) verortet wird. Hierbei wird davon ausgegangen, dass der unterrichtliche Vermittlungs- und Aneignungsprozess durch eine im historischen Prozess ausgebildete Struktur von wechselseitig in Beziehung stehenden Elementen organisiert wird, die gegenüber gesellschaftlichen Anforderungen einen hohen Grad an Anpassungsfähigkeit und Kohäsion aufweist. Zur Rekonstruktion dieses Strukturzusammenhangs wurden als maßgebliche Quelle Fibeln ausgewählt, die als ein Element der Schulgrammatik Rückschlüsse auf die intendierten und ggf. vollzogenen Aneignungsprozesse ermöglichen und in denen sich zugleich die pädagogisch-didaktische Konzeptualisierung der Formierung künftiger ‚Volksgenossen‘ sowie die zugrundliegenden Kindheitsbilder dokumentieren. Auf der Basis eines repräsentativen Fibelkorpus, mit dem die historische Entwicklung des Fibelbestandes in der Zeit des Nationalsozialismus abgebildet wurde, erfolgte erstmals die Erhebung aller der in den Fibeln vorfindlichen Unterrichtsinhalte mittels einer computergestützten qualitativen Inhaltsanalyse. Auf der Grundlage dieser Datenbasis konnte die inhaltliche Strukturierung der Erstlesebücher für das gesamte Korpus empirisch differenziert nachgezeichnet und das Verhältnis der einzelnen inhaltlichen Schwerpunkte zueinander bestimmt werden. Um die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse angemessen deuten zu können, wurden weitere Kontextbereiche identifiziert und auf einer breiten Quellengrundlage rekonstruiert, sodass weitere Aufschlüsse über die Bedingungen und Voraussetzungen der inhaltlichen Strukturierung und der didaktischen Konzeptualisierung der Erstlesebücher gewonnen wurden. Zu verweisen ist hier auf die zeitgenössischen pädagogisch-psychologischen Diskurse zur nationalsozialistischen Erziehung der Kinder, zum Lesen- und Schreibenlernen, zur ästhetisch-pädagogischen Bedeutung der Schriftformen, zur ästhetisch-pädagogischen Funktion der Illustrationen sowie ferner auf den Bereich der bildungs- und verlagspolitischen Steuerung der Fibelgestaltung und -produktion. Diese umfassende Kontextualisierung und das Herausarbeiten der wechselseitigen Beziehungen im Strukturzusammenhang der „Grammar of Schooling“ machten es erst möglich, die Fibelgestaltung und -produktion in ihrer eigentlichen Komplexität zu erfassen. In der Analyse konnte die These bestätigt werden, dass der gewaltförmige Anspruch des NS-Regimes auf eine Unterordnung unter den ‚Führerwillen‘ in den Fibeln pädagogisch in ästhetisierte Formen gemeinschaftsbildender Erlebnisse transformiert wurde, um die Kinder spielerisch in das Gefolgschaftsverhältnis einzuführen. Der pädagogisch-ideologische Zugriff auf die Kinder erfolgte dabei über eine kindgemäße Vermittlung einer fraglosen Anerkennung der ‚Volksgemeinschaft‘ als positiv erlebbare Zugehörigkeitsordnung, verbunden mit dem Ziel der Vorbereitung und Anbahnung gewaltförmigen Handelns. Die vollständige Erhebung aller Fibelinhalte ermöglichte es zudem, die ästhetisch stilisierten Kindheitsmuster jenseits der explizit ideologisierten Fibelseiten als ideologiekonform zu verstehen und den Prozess der nationalsozialistischen Adaption und Transformation des reformpädagogisch geprägten Kindheitsmythos nachzuvollziehen. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse kann festgestellt werden, dass die Erstlesebücher als nicht zu unterschätzendes Instrument zur ästhetischen Inszenierung der ‚Volksgemeinschaft‘ zu betrachten sind.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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