Die kommunizierte IO: Öffentlichkeitsarbeit, Inklusion zivilgesellschaftlicher Akteure und die globale Politisierung Internationaler Organisationen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Inwiefern haben IOs ihre Öffentlichkeitsarbeit über die vergangenen Jahrzehnte ausgebaut und welche Rolle spielte dabei ihre Politisierung, d.h. ihre gestiegene mediale Salienz bzw. Umstrittenheit? Welchen Einfluss haben IOs auf öffentliche Debatten genommen - gerade auch im Hinblick auf deren Kapazität, die Politiken und Verfahren von IOs kritisch zu reflektieren? Theoretischer Ausgangspunkt der Analyse bilden drei zu Beginn des Projektes entwickelte Perspektiven auf IO-Öffentlichkeitsarbeit: Gemäß der Transparenzperspektive dient Öffentlichkeitsarbeit primär der öffentlichen Information über wichtige Entscheidungen und Politikprogramme. Der Governanceperspektive folgend, ist IO-Öffentlichkeitsarbeit eher als Mittel problemorientierten Regierens zu verstehen, dessen Fokus sich auf die direkte Implementation internationaler Politikprogramme auf der Ebene gesellschaftlicher Prozesse bzw. Diskurse verlagert. Als Selbstlegitimation dient Öffentlichkeitsarbeit schließlich vor allem dazu, gesellschaftliche Anerkennung bzw. Unterstützung der jeweiligen IO selbst zu schaffen. Ausgehend von diesem Theorierahmen wurden Hypothesen zu den Ursachen, Strategien und Wirkungen von IO-Öffentlichkeitsarbeit formuliert und anhand dreier Teilstudien systematisch getestet. Teilstudie 1 umfasste die Erhebung und Analyse zentraler Strukturvariablen von IO-Öffentlichkeitsarbeit (Aufgaben, Organisation, Planung) für 48 internationale Organisationen und den Zeitraum von 1950 bis 2015. Die Ergebnisse der deskriptiven Analyse dieser Strukturvariablen bestätigen den erwarteten Trend professionalisierter Öffentlichkeitsarbeit, jedoch auch eine erhebliche Varianz zwischen IOs. Die Ergebnisse verschiedener Zeitreihen- bzw. Ereignisdatenanalysen weisen darauf hin, dass sich diese Varianz vor allem durch Timing bzw. Intensität IO-bezogener Protestaktivitäten bzw. Skandale erklären lässt. Dies spricht für den Mechanismus einer primär auf Selbstlegitimation zielenden Öffentlichkeitsarbeit im Kontext verstärkter Politisierung. Darüber hinaus erweist sich auch ein hoher Mitgliederanteil demokratischer Staaten als erklärungskräftig und zwar insbesondere im Kontext gesellschaftlich virulenter Erwartungen an die Transparenz bzw. Rechenschaftspflichtigkeit politischer Institutionen. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Öffentlichkeitsarbeit von IOs nicht zuletzt auf Betreiben demokratisch gewählter Regierungen verstärkt wurde, da diese gestiegenen Erwartungen an Rechenschaftspflichtigkeit vermutlich stärker Rechnung tragen (müssen), als autokratische Regierungen. Teilstudien 2 und 3 widmeten sich der Öffentlichkeitsarbeit des UN Department Public Information (UNDPI) im Kontext der Verhandlungen zum internationalen Waffenhandelsvertrages (Arms Trade Treaty) von 2006 bis 2015 bzw. mit dem Fokus auf die Kommunikation von Fällen sexueller Ausbeutung/Missbrauch (sexual exploitation and abuse, SEA) im Kontext von UN-Blauhelmmissionen zwischen 1996 und 2015. Beide Fallstudien bestanden zunächst in einer Inhaltsanalyse von kommunikativem Output von UN-Öffentlichkeitsarbeit (Pressemitteilung etc.) sowie Agenturmeldungen der globalen Nachrichtenagenturen (Reuters, Associated Press). Gemäß beiden Studien trägt UN-Öffentlichkeitsarbeit deutliche Züge strategischer Kommunikation: So bevorzugte das Sekretariat die Stellungnahmen anderer Akteuren (Mitgliedstaaten, NGOs, Experten), wenn diese Akteure bestimmte, vom Generalsekretär ebenfalls vertretene Policy-Positionen zum ATT enthielten. Im Einklang mit der Governanceperspektive finden sich Hinweise auf eine strategische Öffentlichkeitsarbeit zugunsten eines "starken" ATT. Im SEA-Fall zeigen sich dagegen eher "selbstlegitimatorische" Strategien. SEA wird vom Sekretariat auffällig selten thematisiert und vorhandene Informationen über die Täter systematisch zurückgehalten - wodurch es der Öffentlichkeit erheblich erschwert wird, sowohl den truppenstellenden Staaten als auch der UN die de facto vorhandene politische Verantwortung für SEA zuzuweisen. Schließlich belegen beide Fallstudien, dass UN-Öffentlichkeitsarbeit jeweils einen erheblichen und normativ problematischen Einfluss auf den globalen Nachrichtenfluss nahm.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
(2018) International Organizations “Going Public”? An Event History Analysis of Public Communication Reforms 1950–2015. International Studies Quarterly 62 (4) 723–736
Ecker-Ehrhardt, Matthias
-
(2014) "Die kommunizierte IO: Hypothesen zum Zusammenhang von Öffentlichkeitsarbeit und Politisierung", Sektionstagung der Sektion Internationale Politik der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW), 25. bis 27. September 2014, Magdeburg
Ecker-Ehrhardt, Matthias
-
(2017) "Public Self-Legitimation by Framing Failure: How the United Nations Secretariat Communicated Sexual Exploitation and Abuse by Peacekeepers", Sektionstagung der Sektion Internationale Politik der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW), 4. bis 6. Oktober 2017
Ecker-Ehrhardt, Matthias
-
(2017) “Self-Legitimation in the Face of Politicization: Why International Organizations Centralize Public Communication”. Review of International Organizations
Ecker-Ehrhardt, Matthias
-
(2018) “"IO public communication and discursive inclusion: how the UN reported the Arms Trade Treaty process to a global audience". Journal of International Relations and Development
Ecker-Ehrhardt, Matthias