Transforming Indigenous Relations with Nature: Ecological Discourses, Eco-Tourism, and Gender in Mexico
Final Report Abstract
Das Forschungsprojekt untersucht die Transformationen indigener Naturbeziehungen im Kontext von gemeindebasiertem Ökotourismus am Beispiel von Mexiko. Im Zentrum der Forschung stehen die Aneignungs- und Übersetzungsprozesse ökologischer Diskurse und Praktiken, die sich im Rahmen der touristischen Inszenierungen im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca in einer indigenen Gemeinde vollziehen. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Übersetzung globaler Umweltdiskurse in lokale, auf die „Natur“ bezogene Praxis- und Bedeutungssysteme sowie deren geschlechtsspezifische Auswirkungen bzw. Aneignungen. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Ökotourismus, häufig in der Literatur als „hegemoniales“, „westliches“ Konzept kritisiert, von lokalen Eliten transformiert wird und dazu dient, kollektive Identitätsprozesse und soziale Organisationsweisen in Bezug auf die Natur zu stärken. Entgegen der Annahme, dass die ökologischen Diskurse lokale Naturbeziehungen nivellieren würden, weisen die Forschungsergebnisse auf, dass sich diese im Gegenteil weiter ausdifferenzieren. Durch die lokale Aneignung ökologischer Diskurse und Praktiken und deren situative Kombination mit lokalen Vorstellungen entstehen vielmehr neue Konfigurationen der indigenen Naturbeziehungen. Diese lassen sich durch drei lokale NaturEn (auf die Natur bezogene Bedeutungs- und Praxissysteme und damit zusammenhängende Normen und Kontexte) beschreibbar machen: das Konzept einer „unberührten, schützenswerten Natur“ (una area virgen), einer lokalen, weit in die Vergangenheit zurückreichenden spirituellen „Natur“ (da vuelta al origen) sowie eines „natürlichen“ dörflichen Lebens im Einklang mit der Natur (todo natural). Diese NaturEn implizieren ästhetische Vorstellungen und normative Praktiken, die geschlechtsspezifisch zugewiesen werden und neue Handlungs- und Verantwortungsbereiche, insbesondere für Frauen, bedingen. Einem intersektionalen Ansatz folgend ergab sich, dass die lokale Umweltkompetenz (reflexiver Umgang und Repräsentation der lokalen NaturEn) vor allem zur sozialen Differenzierung der im Dorf lebenden (los del pueblo) und der in die Stadt migrierten Gemeindemitglieder (los de la ciudad) dient. Das Umweltverhalten in der Gemeinde wird gemäß neuer ästhetischer Konzepte normiert, durch Regeln kontrolliert und geschlechtsspezifisch zugewiesen. Die ökotouristischen Praktiken und „Naturinszenierungen“ sind nicht nur im Hinblick auf den Tourismus zu verstehen, sondern werden für die Neuverhandlung von (Macht-) Beziehungen in der Gemeinde verwendet und zeigen so die gemeindeinternen strukturellen Bedingungen auf. Sie führen zu Dynamiken in den geschlechtsspezifischen Handlungsbereichen: diese erweitern sich einerseits und lassen eine partielle Rollentransgression für beide Geschlechter zu. Andererseits verstärkt sich die Normierung geschlechtsspezifischer Praktiken, die entscheidend für die Bewahrung der „kulturellen Identität“ angesehen werden und auf die NaturEn bezogen sind. Die Auswirkungen sind für Männer und Frauen und je nach ihrem sozialem Status, Alter und Bildungsgrad (und Migrationserfahrung) sehr unterschiedlich und lassen gemeindeinterne Hierarchien stärker hervortreten. Der Ökotourismus und die lokalen NaturEn bestärken „die Gemeinschaft“ und die sozialen Organisationsformen, aber zugleich schwächen und fragmentieren sie „die Gemeinschaft“ auch durch die Ausdifferenzierung der sozialen Institutionen und zunehmende Heterogenität der Gemeindemitglieder. Lokale Akteure nutzen die ökotouristischen Entwicklungen einerseits „gemeindeintern“ zur Aushandlung von Machtbeziehungen im Kontext der Migration (größere Ausdifferenzierung sozialer Institutionen und Stratifizierung) sowie andererseits „gemeindeextern“, um die Landrechte und Ressourcenkonflikte mit den Nachbargemeinden zu lösen (Stärkung gemeindeinterner Institutionen). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Projekt differenzierte Ergebnisse darüber erzielen konnte, wie globale ökologische Diskurse im Rahmen ökotouristischer Inszenierungen zur Ausdifferenzierung lokaler Naturbeziehungen führen, wie lokale Akteure diese für sich nutzbar machen und welche soziokulturellen Dynamiken in Hinblick auf die Geschlechterverhältnisse, die Machtstrukturen im Kontext der Migration und der Landrechtsverteidigung damit einhergehen. Ökotourismus trifft damit im Kern die Migrations- und Machtstrukturen des Ortes und den Kampf um (territoriale) Selbstbestimmung.
Publications
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(2014): Negotiating New Roles and Relationships in the Jungle: Rain Forest Imaginations and Community-based Ecotourism in Ecuador. Tipití: Journal of the Society for the Anthropology of Lowland South America 12 (2), S. 151-168
Meiser, Anna and Eveline Dürr
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Walther, Saskia
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(2015): Zurück zur Natur? Indigenität, Tourismus und Staatlichkeit in Mexiko. In: Frühsorge, Lars, Meike Böge, Christian Brückner, Miriam Heun, Jenny Lebuhn-Chetri, Dirk Tiemann (Hg.): Mesoamerikanistik: Archäologie, Ethnohistorie, Ethnographie und Linguistik. Eine Festschrift der Mesoamerika-Gesellschaft Hamburg e.V. Aachen: Shaker Verlag, S. 731-758
Dürr, Eveline und Saskia Walther
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(2016): Re-assembling Language in Nests: Transpacific Indigenous Strategies for Cultural Revitalisation in Aotearoa New Zealand and Mexico. In: Eveline Dürr and Philipp Schorch (eds): Transpacific Americas: Encounters and Engagements between the Americas and the South Pacific. London, New York: Routledge, pp. 110-130
Dürr, Eveline
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(2019): Tourismus als Inszenierung und kulturelle Praxis in Mesoamerika. In: Eveline Dürr und Herny Kammler (Hg.): Einführung in die Ethnologie Mesoamerikas : ein Handbuch zu den indigenen Kulturen. München: Waxmann, S. 423-433
Walther, Saskia und Eveline Dürr