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Die Aneignung des Mobiltelefons durch Frauen im Kontext der Geschlechterbeziehungen in Gilgit-Baltistan (Nordpakistan)

Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung Förderung von 2012 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 230033369
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt befasste sich durchweg mit den übergeordneten Themen Wandel von moralischen Grundsätzen, Verhandlung von ‚Modernität‘ und der Einführung des Mobilfunks im lokalen Kontext Gilgit-Baltistans im nördlichen Pakistan. Während die abgeschiedene Lage des Hochgebirges und die Praxis der parda, der muslimischen Geschlechtertrennung und Verschleierung von Frauen, die Region als eher ‚altmodisch‘ und ‚hinterwäldlerisch‘ kennzeichnen, brechen Handys mit ihrer Möglichkeit, Verbindungen über weite geographische sowie soziale Distanzen herzustellen, diese vermeintliche Verschlossenheit auf. Zusammen mit TV und Internet bringen sie die Welt, insbesondere indische Seifenopern und Bollywood, bis ins letzte Dorf. Für die überwiegend jungen Protagonist*innen der Ethnografie steht der Mobilfunk außerdem für die Annäherung an das andere Geschlecht. Dabei geht es größtenteils nicht um unerlaubte voreheliche Affären, sondern eine sehr spezifische Phase des Kennenlernens bereits verlobter oder arrangiert verheirateter Partner, die das neue Medium nutzen, um Nähe und Intimität miteinander aufzubauen. Die schiitische Mehrheit der Region in und um die Stadt Gilgit praktiziert für gewöhnlich eine zweigliedrige Hochzeit: Diese wird zunächst durch den islamischen Ehevertrag, nikāḥ, festgemacht, dann nach einigen Monaten oder Jahren erst in einer großen Hochzeitszeremonie, shādī, sozial vollzogen, indem die Braut zum Ehemann zieht. Methodologisch und theoretisch näherte sich die Arbeit lokalen Erfahrungswelten über die Phänomenologie sensorisch erlebbarer Dimensionen verkörperlichten Wissens, gefühlter und kommunizierter Emotionen und dem Aufbau von Nähe und Vertrautheit von Ehe- und/oder Liebespaaren. Anhand sich wandelnder Liebeskonzepte wurden Geschlechterdynamiken untersucht. Von überweltlicher, leidenschaftlicher ‘ishq, in der sich Liebende verlieren, über traditionell wachsende Zuneigung zwischen Partnern, moḥabbat, bis hin zu neueren Vorstellungen von romantischer Liebe, pyār, die auf den älteren Konzepten aufbauen, legten zahlreiche detaillierte Fallstudien und Vergleiche mit einschlägiger Literatur zu Südasien lokale Ausprägungen ehelicher Gefühle offen. In der Region Gilgit befinden diese sich unter anderem eingebunden in Austauschbeziehungen mit Normen und Werten basierend auf islamischen Doktrinen, volkstümlichem Geisterglauben, fortschreitender Bildung, die Anbindung an die Metropolen Pakistans, indischer Bollywood-Medienwelt und vom Entwicklungsdiskurs propagierter weibliche Emanzipation. Walter, Anna-Maria: Love at your fingertips. german research, DFG. 2016. 38:2. 6-11. Liebe geht durch den Daumen. DFG-Magazin forschung. 3/2015. 4-9. Walter, Anna-Maria: Handyromanzen in Pakistan: Ich schwöre, ich vermisse dich. Artikel, Fotostrecke. Spiegel Online (13.11.2015). Radiobeitrag des Südwestrundfunks (SWR2): Interview mit Anna-Maria Walter zu "Digitale Romanzen - Handynutzung in Pakistan" (22. 10. 2015).

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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