Intelligentes, integriertes Einzelrad-Antriebs-Brems-Modul für Schienenfahrzeuge (EABM) Integration regelungstechnischer Funktionen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Beim Intelligenten, Integrierten Einzelrad-Antriebs-Brems-Modul für Schienenfahrzeuge werden ein elektrischer Direktantrieb, eine hydraulische Bremse und ein Einzelrad in einem kompakten Modul untergebracht. Das mechatronische System soll wenige mechanische, energetische und datentechnische Schnittstellen aufweisen. Am Institut für Regelungstechnik (IRT) wurden Gleit-/Schleuderschutz- und Bremsen-Blending-Funktionen für ein solches integriertes Modul während des Projektzeitraums erforscht. Weiterhin untersuchte das IRT den Multifunctional Vehicle Bus (MVB) auf seine Verwendbarkeit hinsichtlich der durch das EABM-Konzept gegebenen Kommunikationsanforderungen. Gegenüber handelsüblichen Gleitschutzsystemen, bei denen meistens Kennfeldregler eingesetzt werden, deren Parameter bei einer Vielzahl von kostenintensiven Testfahrten durch Probieren bestimmt werden müssen, basieren die während des Projekts erforschten Schlupf- bzw. Gleitgeschwindigkeitsregler für den EABM-Gleitschutz auf einer konventionellen Reglerstruktur. Dadurch ist es möglich, die Reglerauslegung in Abhängigkeit von Parametern eines mathematisch-physikalischen Modells der Regelstrecke durchzuführen. Aus diesem Grund wurde zunächst ein komplexitätsreduziertes Fahrzeugmodell aufgestellt. Entsprechend den in der UIC-Norm für Gleitschutzanlagen genannten Empfehlungen muss im Gleitschutzfall der Schlupf über längere Zeit im Makroschlupfbereich gehalten werden, um akzeptable Bremswege erreichen zu können. Das Fahrzeugmodell wurde daher auf sein Verhalten für Betriebspunkte im Makroschlupfbereich untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass das System in diesen Betriebspunkten instabil ist und diese Instabilität ”zunimmt“, je geringer die Fahrgeschwindigkeit wird. In Abhängigkeit von den Fahrzeugmodellparametern konnte die ”größte“ während eines gesamten Bremsvorgangs bis 3 km/h zu erwartende Instabilität quantifiziert werden. Unter der Berücksichtigung der dynamischen Eigenschaften der Aktoren wurde schließlich als ein wesentliches Ergebnis der Arbeiten eine Reglerstruktur vorgeschlagen, mit der bei einer geeigneten, von den Fahrzeugmodellparametern abhängigen Parametrierung, eine stabile Schlupf- bzw. Gleitgeschwindigkeitsregelung im Makroschlupfbereich bis zu geringen Fahrgeschwindigkeiten möglich ist. Weiterhin zeigte sich, dass dieselbe Reglerstruktur mit angepasster Reglerauslegung ebenso für den Schleuderschutz verwendet werden kann. Dies wurde anhand von Simulationsergebnissen mit einem kombinierten Gleit- und Schleuderschutzregler verifiziert. Beim EABM wird als integrierter elektrischer Antrieb eine Geschaltete Reluktanzmaschine (GRM) verwendet. Wenn diese generatorisch betrieben wird, stehen zusammen mit der Reibungsbremse zwei Aktoren zur Erzeugung eines Bremsmoments zur Verfügung. Als Bremsen-Blending wird die intelligente Koordination beider Aktoren zur Realisierung eines geforderten Gesamtbremsmoments bezeichnet. Blending-Verfahren nach dem Stand der Technik basieren häufig auf heuristischen Ansätzen. Als Beispiel sei das reine Daisy-Chaining angeführt, bei dem eine einfache Priorisierung der Aktoren vorgenommen wird, d. h. erst wenn die GRM ihr maximales Bremsmoment erreicht hat, wird die Reibungsbremse dazu geschaltet. Im Rahmen der im Projekt geleisteten Arbeiten wurde das Daisy-Chaining dahingehend erweitert, dass die speziellen Eigenschaften der im EABM integrierten hydraulischen Reibungsbremse vorteilhaft genutzt werden. Da die Bremse eine direkte Messung des von ihr erzeugten Bremsmoments ermöglicht, kann die Differenz zwischen dem von der Bremse geforderten Bremsmoment und dem von ihr tatsächlich abgegebenen Istmoment bestimmt werden. Diese Differenz wird dann dem Soll-Bremsmoment der hochdynamischen GRM zugeschlagen, welche die von der Reibungsbremse verursachte Abweichung zwischen dem geforderten Gesamtbremsmoment und dem tatsächlichen Gesamtbremsmoment schnell ausgleichen kann. Neben dem erweiterten Daisy-Chaining wurde außerdem ein modellprädiktives Verfahren zum Bremsen- Blending untersucht. Dabei steuert ein modellgestützter prädiktiver Regler (MPR) die Aktoren derart an, dass deren jeweiliges Sollmoment optimal eingestellt wird. Dazu wurden lineare Modelle der beiden Aktoren aus detaillierten nichtlinearen Simulationsmodellen der Projektpartner identifiziert und in das MPR-Framework integriert. Die beiden Blending-Verfahren (erweitertes Daisy-Chaining und modellprädiktive Regelung) wurden in Matlab/Simulink aufgebaut und mit den linearen und nichtlinearen Modellen von Motor und Bremse getestet. Simulationsergebnisse zeigten eine sehr gute Performance beider Verfahren. Eine Recherche nach sinnvollen Kommunikationsstandards für den modulinternen und modulübergreifenden Datenaustausch ließ den im TCN-Standard (TCN = Train Communication Network, IEC 9/413/CDV) definierten MVB (Multifunction Vehicle Bus) als geeignet erscheinen. In der Folge wurden Routinen in Matlab/Simulink zum Ein- und Auslesen von MVB-Datentelegrammen über die serielle Schnittstelle eines dSPACE-Systems implementiert und eine entsprechende Kommunikation zwischen zwei dSPACE-Systemen hergestellt. Die weiteren Arbeiten setzten einen Fokus auf den modulinternen Datenaustausch. Dazu wurde eines der beiden dSPACE-Systeme als Master mit der übergeordneten Steuerung eingesetzt, während auf dem anderen die Kommunikationsblöcke von Antrieb und Bremse als Slaves implementiert wurden. Durch Erweiterung des Systems mit einem Simulationsmodell des Fahrzeugs und der Aktoren konnte ein Simulator mit integrierter MVBKommunikation aufgebaut werden, der einen Test der erforschten Gleit- und Schleuderschutzalgorithmen in Echtzeit ermöglicht.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2008) EABM - Datenübertragung zwischen zwei dSPACE-Systemen. Interner Bericht, Institut fur Regelungstechnik, RWTH Aachen
Deubner C, Bruns H, Stützle T
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(2008) Wheelslide protection for railway vehicles with self-energising hydraulic brakes. Control Engineering Practice. Elsevier Ltd.
Stützle T, Ewald J, Liermann M, Stammen C und Abel D