Beitrag zu einer effizienten FE-basierten Auslegung von Magnesiumblechbauteilen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Automobilindustrie befindet sich aktuell in einem Spannungsfeld zwischen den zunehmenden Ansprüchen hinsichtlich Komfort bzw. Sicherheit und den gestiegenen Forderungen des Gesetzgebers bezüglich der Begrenzung von Treibhausgasemissionen. Um den dafür verantwortlichen Treibstoffverbrauch zu senken, ist eine Gewichtsreduktion der Karosserie durch den Einsatz von Leichtbauwerkstoffen unumgänglich. Neben dem Beitrag zur Einhaltung der Klimaschutz-Ziele kommt dem Leichtbau besonders durch die Elektromobilität eine neue Rolle zu, da die Zunahme des Fahrzeuggewichts durch den Elektroantrieb zu kompensieren ist. Vor diesem Hintergrund wird besonders für Hersteller von Oberklassefahrzeugen ein starker Zuwachs von Magnesium im Materialmix erwartet. Magnesium besitzt mit 1,7 g/cm³ lediglich ein Drittel der Dichte von Stahl und ist demnach der leichteste metallische Konstruktionswerkstoff. Magnesiumlegierungen besitzen eine hexagonal dichtest gepackte Gitterstruktur, weshalb bei Raumtemperatur nur eine bedingte Umformbarkeit vorhanden ist. Zur Steigerung des Formänderungsvermögens werden Umformprozesse aus Magnesiumlegierungen meist bei erhöhten Temperaturen ab 200 °C durchgeführt. Durch die thermische Aktivierung zusätzlicher Gleitsysteme wird dadurch die Tiefziehbarkeit signifikant gesteigert. Damit die Vorteile von Magnesiumblechbauteilen genutzt werden können, ist bei der numerischen Auslegung dieser Umformprozesse das Werkstoffverhalten möglichst exakt abzubilden. Vor allem das Zug-Druck-asymmetrische Werkstoffverhalten bedingt den Einsatz neuer und komplexer Werkstoffmodelle, wie das Werkstoffmodell Twinlaw. Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Beitrag zu einer effizienten FE-basierten Auslegung von Magnesiumblechbauteilen geleistet. Hierzu wurden Charakterisierungsversuche weiter- und neuentwickelt, welche eine Kennwertermittlung der Magnesiumlegierung AZ31B bei Raumtemperatur und bei einer erhöhten Temperatur von 200 °C sowie unterschiedlichen Spannungszuständen ermöglichen. Neben dem einachsigen Zug- und Druckversuch mit miniaturisierter Probenform wurde ein Scherzugversuch für die Charakterisierung bei erhöhter Temperatur aufgebaut und der am Lehrstuhl vorhandene hydraulische Tiefungsversuch für die Warmumformung modifiziert. Aus den Ergebnissen der Werkstoffcharakterisierung kann neben dem Zug-Druck-asymmetrischen Werkstoffverhalten auch ein signifikant anisotropes Verfestigungsverhalten abgeleitet werden. Um das Zug-Druck-asymmetrische Werkstoffverhalten zu modellieren wurde zunächst das Modell Twinlaw mit dem Fließkriterium nach von Mises in eine kommerzielle FE-Software implementiert und für AZ31B identifiziert. Infolge des hinterlegten isotropen Fließkriteriums ist dieses Modell zwar für die Abbildung der Zug-Druck-Asymmetrie geeignet, nicht aber für die Modellierung des anisotropen Verfestigungsverhaltens unter verschiedenen Spannungszuständen. Um das Verfestigungsverhalten abzubilden, wurde das Modell Twinlaw mit einem komplexeren Fließkriterium nach Cazacu et al. (CPB06) erweitert. Die Umsetzung hierzu umfasst die umformgradabhängige Variation der C-Parameter von CPB06, wie von Ghaffari Tari et al. vorgeschlagen wird. Dieses in der Arbeit als GHA13 bezeichnete Modell wurde ebenfalls numerisch aufgebaut und in die FE-Software über eine Benutzerschnittstelle implementiert. Zudem wurde eine Identifikationsmethodik entwickelt, welche es ermöglicht, über die Stützstellen der Experimente und den Zusammenhang der plastischen Arbeit die Entwicklung der C-Parameter zu bestimmen. Im vorletzten Abschnitt der Tätigkeiten erfolgte die Herstellung eines tiefgezogenen Bauteiles mit einem am Lehrstuhl vorhandenen Werkzeug mit rotationssymmetrischem Stempel. Die hergestellten Bauteile wurden über ein optisches Geometriemesssystem digital erfasst und dem Ergebnis der numerischen Simulation des Rundnapf-Versuchs gegenübergestellt. Hierzu wurden Schnittlinien in 0° und 90° zur Walzrichtung ausgeleitet und die Entwicklung der Blechdicke mit der prognostizierten Blechdickenentwicklung aus den Simulationen mit den einzelnen Werkstoffmodellen verglichen. Das Ergebnis der Validierung zeigte eine Verbesserung der Abbildungsgenauigkeit durch die Berücksichtigung des Zug-Druck-asymmetrischen Werkstoffverhaltens durch Twinlaw und eine deutliche Steigerung der Vorhersagegenauigkeit durch die Adaption des Modells GHA13.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Cyclic tension test of AZ31 magnesium alloy at elevated temperature realized in a miniaturized uniaxial tensile test setup. Mater. Sci. Forum 854 (2016), S. 112-117
Suttner, S.; Merklein, M.
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Experimental and numerical investigation of a strain rate controlled hydraulic bulge test of sheet metal. J. Mater. Process. Technol. 235 (2016), S. 121-133
Suttner, S.; Merklein, M.
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Influence of specimen size and sheet thickness on the material behavior of AZ31B under uniaxial tension. Mater. Sci. Eng. 159 (2016), S. 1-8
Suttner, S.; Merklein, M.
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A new approach for the determination of the linear elastic modulus from uniaxial tensile tests of sheet metals. J. Mater. Process. Technol. 241 (2017), S. 64-72
Suttner, S.; Merklein, M.