Der Fall des Anfangs
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Teilprojekt "Der Fall des Anfangs" untersuchte die produktiven Umschriften und intertextuellen Reflexionen des (Sünden-)Fall-Mythos an exemplarischen erzählerischen, dramatischen und theoretischen Texten vorwiegend der deutschsprachigen Literatur vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Seine Ausgangsthese, dass über diese "Arbeit am Mythos" mit seinen vielfältigen geschichtsphilosophischen, anthropologischen und epistemologischen Implikationen eine Reflexionsfigur von Modernität selbst gewonnen wird, ließ sich in der Untersuchung von Funktionen und Modellierungen von Anfangsszenarien des Falls in der deutschen Literatur nachdrücklich bestätigen. Von besonderer Bedeutung erschien dabei das um 1800 und in der frühen Moderne erkennbar werdende Potential, durch Rückbezüge auf den (Sünden-)Fall Reflexionsfiguren des uneinholbaren Ursprungs und zugleich Textfiguren des Anfangs zu gewinnen, welche die aporetische Situation der Moderne und ihre "Verlegenheit um den Anfang" (Hegel) ebenso reflektieren wie sie diese als Modus der Verhandlung von Kontingenz produktiv machen. Neben den narratologischen Dimensionen sowie der Frage nach "Szenarien" des Falls (in dramatischen Texten) erwies sich vor allem die Engführung der so umrissenen Thematik mit der Frage nach Fallgeschichten und Fall- Erzählungen – also von lapsus und casus – als aufschlußreich, d.h. die Analyse der Verbindung, welche die Arbeit am Sündenfall-Mythos mit der Darstellung von zugleich singulären und exemplarischen "Fällen" eingeht. Diese Fall-Darstellungen emergieren seit dem 18. Jahrhundert und prägen die für die Literatur außerordentlich folgenreichen hybride Gattung von Fallgeschichten aus, welche als Verhandlungsformen des (Nicht-)Wissens in den entstehenden modernen juridischen, psychologischen, medizinischen und soziologischen Diskursordnungen anzusehen sind; entsprechend signifikant ist ihre jeweilige Konfrontation mit der Sündenfall-Mythe und ihren Implikationen. Als ein eigener Forschungskomplex, der nicht im Rahmen von Aufsätzen oder übergreifenden Studien zu integrieren war, schälte sich beim Fortgang der Arbeiten Robert Musils Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" heraus.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
"Am Anfang war... der Fall. Ursprungsszenen der Moderne". In: Am Anfang war... Ursprungsfiguren und Anfangskonstruktionen der Moderne. Hg. Inka Mülder-Bach und Eckhard Schumacher. München: Fink 2008, S. 107-129
Inka Mülder-Bach
-
Am Anfang war... Ursprungsfiguren und Anfangskonstruktionen der Moderne. München: Fink 2008 (Reihe: Anfänge)
Inka Mülder-Bach, Eckhard Schumacher (Hrsg.)
-
"'Verjährung ist [...] etwas Prosaisches'. Effi Briest und das Gespenst der Geschichte". In: DVjs 83 (2009), S. 619-642
Inka Mülder-Bach
-
"Ankommende Erregungsgrößen. Zur Einführung". In: Ankünfte. An der Epochenschwelle um 1900. Hg. Aage Hansen-Löve, Annegret Heitmann und Inka Mülder-Bach. München: Fink 2009, S. 9-18
Inka Mülder-Bach
-
Ankünfte. An der Epochenschwelle um 1900. München: Fink 2009 (Reihe: Anfänge)
Inka Mülder-Bach, Aage Hansen-Löve und Annegret Heitmann (Hrsg.)
-
"Poesie der Grammatik. Texturen des Geistes im Mann ohne Eigenschaften". In: Ulrich Beil/Michael Gamper/Karl Wagner (Hg.): Medien, Technik, Wissenschaft. Wissensübertragung bei Robert Musil und in seiner Zeit. Zürich: Chronos 2011, S. 173-191
Inka Mülder-Bach
-
"Der Fall ins Drama. Über Kleists Dramenanfänge". In: Andrea Polaschegg/Claude Haas (Hg.): Der Einsatz des Dramas. Dramenanfänge, Wissenschaftspoetik und Gattungspolitik, Freiburg i.B.: Rombach, 2012, S. 91-113
Michael Ott
-
Urworte. Zu Geschichte und Funktion erstbegründender Begriffe. München: Fink 2012 (Reihe: Anfänge)
Michael Ott, Tobias Döring (Hrsg.)
-
Natalität. Geburt als Anfangsfigur in Literatur und Kunst. Erscheint München: Fink, 2013 (Reihe: Anfänge)
Michael Ott, Aage A. Hansen-Löve und Lars Schneider (Hrsg.)
-
Robert Musil. Der Mann ohne Eigenschaften. Ein Versuch über den Roman. München: Hanser 2013
Inka Mülder-Bach