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Entwicklung einer mikrostrukturgerechten Schmiedetechnologie für Kurbelwellen

Fachliche Zuordnung Metallurgische, thermische und thermomechanische Behandlung von Werkstoffen
Förderung Förderung von 2012 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 226927008
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Rahmen des Projekts wurde die prozessintegrierte Wärmebehandlung aus der Warmformgebungshitze mittels Luft-Wasser Spraykühlung für große Schmiedebauteile am Beispiel einer Kurbelwelle (ca. 500 mm Durchmesser, ca. 5 m Länge) untersucht. Es wurden die Entwicklung der Korngröße beim Aufheizen, Umformen und Abkühlen sowie die Mikrostrukturumwandlungen berücksichtigt. Durch genaue Kenntnis der Entwicklung der Mikrostruktur während des Herstellungsprozesses sollten die Grundlagen zur Aufdeckung von Leichtbaupotentialen gelegt werden. Da sich eine experimentelle Durchführung für die Großbauteile ausschloss, wurde der Gesamtprozess mithilfe von numerischen Simulationen abgebildet und die Berechnungsergebnisse an geeigneten Stellen validiert. Untersucht wurde die Stahlgüte 34CrNiMo6 als Werkstoff aus der industriellen Praxis und der ausscheidungshärtende, ferritisch-perlitischen (AFP) Stahl 38MnVS6 als mögliches Substitut. Die Modellierung des Werkstoffverhaltens während des Prozesses unterteilte sich in zwei große Teilbereiche. Zum einen wurde die Entwicklung der Korngröße betrachtet zum anderen das Umwandlungsverhalten. Die Korngröße wird über die beiden Vorgänge Kornwachstum und Rekristallisation beeinflusst. Kornwachstum findet bei Stählen generell bei erhöhten Temperaturen (>1000 °C) statt und ist daher für den Schmiedeprozess, welcher bei 1250 °C stattfindet, von großer Bedeutung. Beim Aufheizen von sehr großen Halbzeugen (Durchmesser > 0,5 m) auf Schmiedetemperatur entstehen aufgrund der begrenzten Wärmeleitfähigkeit signifikante Temperaturgradienten vom Bauteilrand zum Kern. Es konnte mittels eines auf das Kornwachstumsverhalten der beiden Stähle angepassten Korngrößenwachstumsmodells und experimentell ermittelter Wärmeübergangskoeffizienten (WÜK) für die Erwärmung gezeigt werden, dass für den vorliegenden Prozess im Randbereich mit bis zu 150 % größeren Körnern als im Kern des Halbzeugs zu rechnen ist. Dies bietet durch Anpassung des Erwärmungsprozesses Potential zur Homogenisierung der Korngröße vor dem Umformen. Die Modelle für das Kornwachstum bei nicht-isothermer Temperaturführung und die ermittelten WÜK wurden jeweils einzeln validiert. Diese Korngröße vor dem Umformen ist auch ein wichtiger Eingangsparameter für das Rekristallisationsverhalten während der Umformung. Hierbei kommt es abhängig von den Umformbedingungen durch Kornneubildung generell zu einer Verfeinerung des Gefüges. Für die o.g. Stähle wurden im Rahmen dieses Projektes Rekristallisationsmodelle anhand von Fließkurven und metallographischen Analysen parametrisiert. Kornwachstum und Rekristallisation wurden in ein Simulationsmodell auf Basis einer thermisch transienten Analyse implementiert. Damit kann die Entwicklung der Korngröße über die Prozesskette Erwärmung-Umformung-Wärmebehandlung bei gegebenen Umformdaten vorhergesagt werden. Das Umwandlungsverhalten der Werkstoffe bei einer Abkühlung aus dem Austenitgebiet beeinflusst die Gefügeanteile und damit die mechanischen Eigenschaften nach der Wärmebehandlung. Für die o.g. Stähle wurde auf Basis eines Johnson- Mehl-Avrami-Ansatzes (für die diffusiblen Umwandlungsvorgänge) bzw. auf Basis von Koistinen und Marburger das Umwandlungsverhalten modelliert und in das Simulationsmodell implementiert. Basis für die Modellbildung bildeten Zeit-Temperatur-Umwandlungs-(ZTU-)Schaubilder. Der Einfluss einer vorherigen Umformung wurde durch die Verwendung von ZTU-Schaubildern, die nach vorheriger, verschieden starker Umformung aufgenommen wurden, berücksichtigt. Auf Basis der Gefügeanteile wurde die Härte nach dem Abschrecken modelliert. Die Anlasswirkung (z.B. durch ein Selbstanlassen aus der Restwärme des an der Randschicht abgeschreckten Bauteils) wurde mithilfe des Hollomon-Jaffe-Parameters und Anlassversuchen implementiert. Da die Validierung des Gesamtmodells an Realbauteilen nicht möglich war, wurde eine alternative Validierungsmethode gewählt. Aus der numerischen Simulation des Gesamtprozesses wurden einzelne, repräsentative Volumenelemente der Bauteilgeometrie ausgewählt. Aus diesen wurden die zeitlichen Verläufe von Temperatur und Vergleichsumformgrad entnommen und an kleinen Werkstoffproben in einem Umformdilatometer nachgebildet. Durch gezieltes Abschrecken zu verschiedenen relevanten Zeitpunkten (z.B. direkt nach der Umformung), wurde der Gefügezustand eingefroren, metallographisch hinsichtlich der Austenitkorngröße bzw. hinsichtlich der Gefügezusammensetzung analysiert und mit den durch die Werkstoffmodelle vorhergesagten Ergebnissen verglichen. Es konnten insgesamt gute Übereinstimmungen (Abweichungen <15 %) von berechneten und tatsächlich gemessenen Korngrößen erzielt werden. Um die Skalierbarkeit der Nutzung Luft-Wasser Spraykühlung für große Bauteile nachzuweisen, wurden Halbzeuge aus 34CrNiMo6 im Maßstab 1:5 in einer eigens aufgebauten Spraykühleinrichtung gezielt lokal abgeschreckt. Auch diese Versuche wurden mit den o.g. Modellen simuliert und zeigten eine gute Übereinstimmung von berechneten und gemessenen Temperaturverläufen, Gefügeanteilen und Härten. Lediglich die erzielte Härte im Kern des Bauteils wurde zu gering berechnet. Als Grund konnte eine starke Zeiligkeit im verwendeten Material der Realversuche identifiziert werden. Diese sorgte für eine teilweise beschleunigte Martensitbildung schon bei den vergleichsweise geringen Abkühlraten im Bauteilinneren und damit für zu hohe Kernhärten. Abkühlversuche am AFP-Stahl 38MnVS6 zeigten, dass dieser ein gutes Potential bietet, den teureren Vergütungsstahl 34CrNiMo6 zu ersetzen. Es wurden die gewünschten Härtegradienten vom Bauteilrand in den –kern erzeugt. Zudem konnte gezeigt werden, dass durch eine gezielte Steuerung der Abkühlwirkung zusätzlich eine Bainitisierung des Bauteilkerns erreicht werden konnte. Diese führte zu deutlich verbesserten Zähigkeitseigenschaften, womit sich weitere Anwendungsfelder für den Werkstoff ergeben könnten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Wärmebehandlung von Massiv- und Blechbauteilen mittels Spraykühlung, 35. Werkstoffseminar des IAM-WK, 12.03.2014, Adelboden, Schweiz
    Nürnberger, F.
  • (2015): Determination of heat transfer coefficients for complex spray cooling arrangements, In: Zoch, H.-W.; Lübben, T. (Hrsg.): Proceedings of the 5th International Conference on Distortion Engineering, 2015; S. 247–256
    Herbst, S.; Steinke, K. -F; Maier, H. J.; Milenin, A.; Nürnberger, F.
  • (2015): Holistic consideration of grain growth behavior of tempering steel 34CrNiMo6 during heating processes, Journal of Materials Processing Technology 229, 2016, S. 61-71
    Herbst, S.; Besserer, H.-B.; Grydin, O.; Milenin, A.; Maier, H. J.; Nürnberger, F.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.jmatprotec.2015.09.015)
 
 

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