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Die "Kratkaja Chronografieskaja Paleja" - byzantinisch-slavische Überlieferungen im Kontext der europäischen Historienbibeln

Fachliche Zuordnung Evangelische Theologie
Förderung Förderung von 2013 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 226464079
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Kratkaja Chronografičeskaja Paleja (KP) gehört zur altrussischen Textgruppe der Tolkovaja Paleja, einer der wichtigsten europäischen “Historienbibeln”. Sie ist vielfältig mit jüdischen und christlichen Texttraditionen Europas verwoben. Etliche Apokryphen sind nur hier erhalten geblieben. Durch das KP-Projekt wurde ein Kernbestand der Tolkovaja Paleja für die Wissenschaft erschlossen. Als Ergebnis liegt eine in internationaler Kooperation erstellte kirchenslavisch-deutsche kritische Edition der KP in zwei Bänden vor, begleitet von einer einführenden Untersuchung, einem ausführlichen Quellenkommentar, der zugleich Anschlussstellen für die weitere theologische, philologische und historiographische Forschung markiert, und Indices (in Vorbereitung zum Druck). Es liegt weiterhin eine kritische kirchenslavische Edition der apokryphen Leiter Jakobs vor sowie eine deutsche Übersetzung dieser Edition mit ausführlichem Kommentar und Untersuchung sowie eine Reihe von Einzelstudien zu diesem Text, der nur slavisch überliefert ist und bislang unzureichend ediert und in seiner Erforschung durch eine Reihe gravierender Missverständnisse verdunkelt war. Aus der Arbeit ergaben sich vielversprechende Ansätze für mehrere neue Forschungsvorhaben zur Quellenerschließung und zu Transmissionstexturen beim Tradieren theologischen Wissens: – Neu entdeckt wurde als bedeutsame griechische Quelle für die slavische Chronographie die Chronik des Ps.-Eustathius von Antiochia – ein Beispiel für bislang oft in ihrer Wirkung unterschätzte sog. sekundäre Quellen, durch deren Vermittlung viele Sujets überhaupt erst rezipiert wurden. In Kooperation mit dem Pariser Byzantinisten-Team um Prof. Dr. Paolo Odorico wurde die Vorbereitung der griechischen Edition befördert, soweit es in unseren Kräften stand. Ein gemeinsames Forschungsvorhaben zur Ps.-Eustathius-Chronik bei DFG und ANR ist leider abgelehnt worden. Dennoch sollte hier, sobald die kritische griechische Textedition vorliegt, eine eingehende Untersuchung der Rezeption in den kirchenslavischen Texten anschließen. Eine wichtige Vorarbeit dazu ist durch das Aufführen aller in der KP vertretenen Fragmente aus der Chronik des Ps.-Eustathius in unserem Kommentar bereits weit gediehen. Auch die Chronik des Georgius Cedrenus gehört zu jenen Quellen, denen die Slavia Orthodoxa beispielsweise Kenntnisse aus den “Antiquitates” des Josephus verdankt, die aber nicht kritisch ediert sind – weder im griechischen Ausgangstext noch in den kirchenslavischen Fragmenten, die offenbar in Parömienbüchern, Synaxarien und anderen liturgischen Sammlungen tradiert wurden. Durch systematisches Nachweisen der auf Cedrenus beruhenden KP-Stellen im Kommentar unserer Edition hoffen wir, das Bewusstsein für die immense Bedeutung auch dieser “sekundären Quelle” geschärft und zu ihrer Erforschung ermuntert zu haben. Die Reihe ähnlicher Fälle ließe sich fortsetzen. Unser Projekt hat den Boden für eine noch immer fehlende kritische Edition der Vollständigen Chronographischen Paleja (Polnaja Chronografičeskaja Paleja, abgekürzt: PP) bereitet, indem der gesamte mit ihr übereinstimmende chronographische Teil der KP (von der Entlassung der Juden unter König Kyros II. an, ab KP 24.4 bis zum Schluss) bereits erfasst wurde. In diesem Teil weist unsere KP-Edition in Apparat und Kommentar sämtliche Abweichungen vom Text der PP mit nach. Die in der KP in spezifischen Redaktionen überlieferten alttestamentlichen Apokryphen bieten Anschlussstellen für weitere Forschungen. Als Beispiel wurde schon während der Projektarbeit die kurze und kompakte Leiter Jakobs ausgewählt; nachdem sich diese “Probebohrung” als äußerst ertragreich erwiesen hat, sollten andere nichtbiblische Überlieferungen folgen, darunter auch die wegen ihres Umfangs und ihrer Komplexität bislang wenig bearbeiteten. Eine Untersuchung des weiten Bereichs der Mose-Überlieferungen im Kirchenslavischen, eines der noch weitgehend unbeackerten Forschungsfelder der Apokryphenliteratur, wird z. Z. vorbereitet. Dabei greifen wir die Erfahrungen aus dem KP-Projekt auf. So werden die Schnittstellen zwischen verschiedenen, in der Forschung bislang oft zu stark getrennten Formen des Wissenstransfers – wie Chronographie, kanonischem Bibeltext, parabiblischem Text, Hymnographie, Hagiographie und Homiletik, Ikonographie, mündlicher Legendenüberlieferung – fächerübergreifend zu betrachten sein. Die KP zeigt besonders deutlich, wie kanonische und nichtkanonische Traditionen einander durchdringen, überlagern und auch befruchten. Die internationale Forschung dringt z. Z. in verschiedenen Disziplinen weiter in diese Bereiche vor, wie etwa das Vorhaben zu apokryphen und kanonischen Themen in der Ikonenmalerei am Exzellenzzentrum TOPOI in Berlin zeigt, auch die kürzlich von PD Dr. Igor Dorfmann-Lazarev an der Universität Frankfurt a. M. veranstaltete Internationale Konferenz “The Role of Esoteric and Apocryphal Sources in the Development of Christian and Jewish Traditions” oder auch die Bildung einer eigenen Paleja-Sektion beim nächsten ISBL-meeting in Helsinki. Unsere Arbeit hat diese Entwicklung mit befördert, die beschränkte Denkmuster aufbricht und neue Perspektiven zulässt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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