Working Poor in Europa: Armut trotz Erwerbstätigkeit
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Rahmen des geförderten Projektes wurden Fragen zu Ursache, Ausmaß und Struktur von Erwerbstätigenarmut in Westeuropa aufgegriffen. Auf Basis theoretischer Überlegungen zum Wirkungszusammenhang zwischen institutioneller Konfiguration und individuellen materiellen Lebensbedingungen konnte ein Großteil dieser Fragen durch Expertenbeiträge und eigene empirische Analysen aufgeklärt werden. In nahezu allen westlichen Industrienationen wurden seit Beginn der 1980er Jahre (wenn auch zeitversetzt) Gesetze zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes implementiert. Parallel dazu sind wohlfahrtsstaatliche Umverteilungssysteme schrittweise zurückgefahren worden. Einerseits wurde also die Marktabhängigkeit erwerbsfähiger Personen vergrößert und andererseits der Markt neu - und zwar im Sinne einer zunehmenden Diversitat von Beschäftigungsformen - strukturiert. Als Konsequenz dieser Prozesse kann vermutet werden, dass sich die Working Poor-Quote in Westeuropa in den zurückliegenden Dekaden erhöht hat. Die Hypothese eines Zusammenhangs zwischen wohlfahrtsstaatlichem Regime und der Working Poor-Quote hält allerdings einer Überprüfung im Querschnitt zwischen verschiedenen Ländern nicht stand. Dieses lässt sich einerseits auf die begrenzte Ausdifferenzierung traditioneller Klassifikationsschemata zurückführen und andererseits als Konsequenz einer Überlagerung der Effekte arbeits- und sozialpolitischen Wandels durch die Auswirkungen makroökonomischer (bzw. konjunktureller) Dynamiken deuten. Längsschnittanalysen innerhalb der untersuchten Länder zeigen allerdings deutlich, dass der Abbau sozialer Sicherungssysteme und die Deregulierung der Arbeitsmärkte das Armutsrisiko der Arbeitnehmer erhöht haben. Dementsprechend besteht auch in Deutschland ein starker Zusammenhang zwischen der Zunahme der Armutsquote und der Veränderung der Rahmenbedingungen. Außerdem konnte gezeigt werden, dass die Ausgestaltung des Lohnverhandlungssystems einen bedeutsamen Einfluss auf das Armutsniveau unter Erwerbstätigen hat. So korrelieren im internationalen Vergleich Organisationsgrad und Working Poor- Quote stark miteinander. Dieses lässt sich darauf zurückführen, dass gewerkschaftlicher Einfluss einen stauchenden Effekt auf die Lohnverteilung hat und in Folge Disparitäten im Wohlstandsniveau Enwerbstätiger reduziert sind. Allerdings beeinflusst gewerkschaftliche Stärke nicht nur das Ausmaß, sondern auch die Struktur von Erwerbstätigenarmut und akzentuiert dabei - grade vor dem Hintergrund zunehmender Deregulierung und Kommodifizierung - Prekaritätsdifferenzen zwischen Insidern und Outsidern des Arbeitsmarktes: Gewerkschaftliche gesteuerte Instrumente, wie z.B. Regelungen zum Kündigungsschutz, schirmen etablierte Erwerbstätige vor den Folgen des sozial- und arbeitspolitischen Wandels weitgehend ab. Personen in Einstiegspositionen werden dagegen nicht durch Gewerkschaften vor den negativen Implikationen des Reformprozesses geschützt. In Deutschland lässt sich dementsprechend eine zunehmende Konzentration prekärer Enwerbsgelegenheiten an der Peripherie des Arbeitsmarktes (bzw. an den Schnittstellen zwischen Ausbildung und Beruf sowie Enwerbslosigkeit und Enwerbstätigkeit) beobachten. Neben (Haupt-)Effekten, die vori der Ausgestaltung nationaler Rahmenbedingungen auf die Working Poor - Quote ausgehen, bestehen also starke Wechselwirttungen zwischen individuellen Eigenschaften und institutionellen Arrangements auf das Armutsrisiko Enwerbstätiger. Armut voh Enwerbstätigen lässt sich demnach als Konsequenz eines komplexen Zusammenspiels von Makrostrukturen und Mikroeigenschaften begreifen. Darüber hinaus gibt es bestimmte individuelle Merkmale, die nationenübergreifend als starke Determinante des Working Poor-Risikos fungieren. Zu diesen Merkmale, welche bereits aus der traditionellen Armutsforschung bekannt sind, gehören zuvorderst die Haushaltskomposition, das Bildungsniveau sowie der Enwerbsstatus.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2007): Armut von Enwerbstätigen In europäischen Wohlfahrtsstaaten. Niedriglöhne, staatliche Transfers und die Rolle der Familie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Lohmann, H.
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(2007): Ist das Normalarbeitsverhältnis noch armutsvermeidend?, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 59: 459-492
Andreß, H.J. & Till Seeck
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(2008): Conclusion: Explaining In-Work Poverty Differences across Countries. Pp. 293-313 in: Andreß, Hans-Jürgen / Lohmann, Henning (Eds.): The Working Poor in Europe. Poverty, Employment and Globalization, Cheltenham 2008: Edward Elgar
Lohmann, H. & H.J. Andreß
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(2008): Introduction: The Working Poor in Europe. Pp. 1-14 in: Andreß, Hans-Jürgen / Lohmann, Henning (Eds): The Working Poor in Europe. Poverty, Employment and Globalization, Cheltenham 2008: Edward Elgar
Andreß, H.J. & H. Lohmann
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(2008): The Different Faces of In-work Poverty across Welfare State Regimes. Pp. 17-46 in; Andreß, Hans-Jürgen / Lohmann, Henning (Eds.): The Working Poor In Europe. Poverty, Employment and Globalization, Cheltenham 2008: Edward Elgar
Lohmann, H. & I. Marx
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(2008): The different roles of low-wage work in Germany: regional, demographical and temporal variances in the poverty risk of low-paid workers. Pp. 96-123 in: Andreß, Hans-Jürgen und Henning Lohmann (eds.), The Working Poor in Europe. Employment, Poverty and Globalization. Cheltenham: Edward Elgar
Gießelmann, M. & H. Lohmann
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(2008): The Working Poor in European Weifare States; Empirical Evidence from a Multilevel Perspective. Pp. 47- 74 in: Andreß, Hans-Jürgen / Lohmann, Henning (Eds.); The Working Poor in Europe. Poverty, Employment and Globalization, Cheltenham 2008: Edward Elgar
Lohmann, H.
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(2008); Working Poor in Europe: Employment, Poverty and Globalisation. Cheltenham 2008: Edward Elgar
Andreß, H.J. & H. Lohmann
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(2009): Armut von Enwerbstätigen im europäischen Vergleich: Eine Analyse unter Berücksichtigung des Einkommensverteilungsprozesses. DIW Discussion Paper 887, Berlin: DIW
Lohmann, H.