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Onomatokinesis: Affektive und semantische Konsequenzen von Artikulationssimulationen beim Lesen

Fachliche Zuordnung Sozialpsychologie und Arbeits- und Organisationspsychologie
Förderung Förderung von 2012 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 221847982
 
Bisherige Forschung hat in vielen verschiedenen Bereichen demonstriert, dass nonverbale Motorrepräsentationen (z.B. den Lächelmuskel anspannen, eine Faust ballen) affektive und semantische Repräsentationen (z.B. Gefühl von Witzigkeit, Konzept „Macht“) aktivieren können unabhängig von propositional-begrifflichen Mechanismen. Solche rein sensorimotorischen Induktionen affektiver und semantischer Inhalte sind für verschiedene Effektoren (z.B. Gesichtsmuskeln, Hände) und abhängige Variablen (z.B. Präferenz, Aktivierung semantischer Kategorien) gezeigt wurden und haben den Begriff „verkörperter Metaphern“ geprägt.Das vorliegende Projekt erweitert diese Evidenz um die Vorhersage, dass auch orale Motoreffektoren (z.B. Zunge) durch geeignete Bewegungen Embodiment-Effekte auslösen können, und dass solche Bewegungen durch simple Aussprechdynamiken beim Lesen von Wörtern induziert werden können. Beispielsweise gleicht die Artikulationsdynamik beim Lesen des Wortes ROGOLOP einer Ausspeibewegung, denn die zur Artikulation der Konsonanten des Wortes erforderlichen Bewegungen wandern von hinten im Mund (R/G) nach vorn (L/P). Folglich sollte dieses Wort eine mit Ausspeien assoziierte Vermeidungsmotivation auslösen; während die Artikulationsdynamik beim Lesen des Wortes POLOGOR einer Schluckbewegung (von vorn nach hinten) gleicht und daher eine Annäherungsmotivation auslösen sollte.Der Aussprechakt selbst also -unabhängig von der Bedeutung der artikulierten Wörter- kann semantisch-affektive Konsequenzen zeitigen. Die Mundbewegung macht den Namen: Onomatokinesis. In den geplanten Experimenten soll eine Reihe solcher oral verkörperten Metaphern im grundlagen- und anwendungs¬bezogenen Kontext untersucht werden. Neben artikulatorisch induzierten Ausspei- und Schluckmetaphern sollen auch Passungseffekte zu semantisch denotierten Objekten (z.B. ausspei-bezogene Namen für essbare im Vergleich zu giftigen Pilzen) und zu assoziierten konsumatorischen Endhandlungen (z.B. Leckbewegungen der Zunge beim Artikulieren von Alveolaren und denotierte Eiscreme-Namen) untersucht werden. Darüber hinaus soll der konkrete kausale Mechanismus solcher oralen Motormetaphern identifiziert werden durch Motorinterferenzen und den Vergleich lauten Aussprechens und stummen Lesens.Die erhofften Befunde zu diesem bislang nicht erwogenen psychologischen Phänomen haben einschlägige Bedeutung nicht nur für die Grundlagenforschung (Embodiment). Die Ergebnisse haben auch interessante angewandte Implikationen, vor allem in der Werbepsychologie, da sie zukünftig das gezielte Designen von Markennamen nach systematischen wissenschaftlichen Kriterien erlauben. Schließlich führt die vorliegende Hypothese der Onomatokinese eine bislang ungeahnte Funktionsdimension menschlicher Sprache ein (orale Propriozeption als zusätzliche semantische Ebene) und könnte damit die Linguistik und Ästhetik nachhaltig stimulieren.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug USA
Beteiligte Person Professor Dr. Piotr Winkielman
 
 

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