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Die Oberschlesische Hydrierwerke AG (OHW) und das Auschwitzer KZ-Außenlager Blechhammer 1939-45

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2012 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 219072321
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Hauptziel der Forschungsarbeit war es, die bislang unbekannte Geschichte einer synthetischen Treibstoffanlage, die Oberschlesische Hydrierwerke AG (OHW), und deren umfangreichen Lagerkomplex zu beleuchten. Das 1939 in Folge des Vierjahresplans in Oberschlesien errichtete Werk war Teil einer für die Region spezifischen Politik der "Germanisierung durch Industrialisierung". Diese beinhaltete auch Pläne für eine erste, nach der nationalsozialistischen Ideologie geformte "Musterstadt" im Osten. Als "kriegswichtiger" Konzern erhielten die OHW große Kontingente an Fremd- und Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen, Strafgefangenen und Häftlingen. Die Verschmelzung des Managements mit Kontrollinstanzen der NSDAP und der Gestapo als auch die Bereitstellung firmeneigener Barackenlager für Zwecke, die weit über einen herkömmlichen Arbeitseinsatz hinausgingen, sorgten für eine unvermeidliche Verstrickung des Konzerns in die NS-Vernichtungspolitik. So diente etwa das Arbeitserziehungslager der OHW als Transitlager für polnische Strafgefangene, die in Konzentrationslager überstellt werden sollten. Der Werkschutz verübte Lynchmorde an nichtdeutschen Arbeitern und war gemeinsam mit Mitgliedern der Firmenleitung an einem Massaker an Fremdarbeitern und jüdischen Häftlingen beteiligt, als das Werk im Januar 1945 evakuiert wurde. Besonders deutlich wird die Verknüpfung zwischen der industriellen Nutzung unfreier Arbeitskräfte und der genozidalen Politik des Regimes am Beispiel des 1942 eingerichteten Arbeitslagers für Juden, das Teil eines von Himmlers Sonderbeauftragten Albrecht Schmelt in Schlesien geschaffenen Lagersystems war. Unter der Verwaltung der Reichsautobahn führten zivile Angestellte hier eigenständig Selektionen für Auschwitz durch und ermordeten Häftlinge durch das so genannte „Totbadeverfahren“. Als im Sommer 1943 durch einen Aufstand im Ghetto Sosnowiec das zentrale Durchgangslager für jüdische Arbeiter nicht mehr verfügbar war, wurde Blechhammer temporär dazu benutzt, Familien aus liquidierten Ghettos zu selektieren und weiter nach Auschwitz zu verschicken. Sowohl als Schmelt-Lager, als auch nach der Auschwitz-Übernahme 1944 wies Blechhammer eine extreme Häftlingssterblichkeit auf. Der jüdische Arbeitseinsatz muss daher als integraler Bestandteil des Holocausts in Ostoberschlesien gesehen werden, und nicht als dessen Antithese. Die als Mikrogeschichte angelegte Studie eröffnet mit der Erforschung eines Schmelt-Lagers, das außerhalb des KZ-Systems betrieben wurde, eine neue Perspektive auf die regional unterschiedliche Durchführung der Shoah. Bislang unbeachtete Tätergruppen und von den in Konzentrationslagern üblichen Vorgehensweisen abweichende Praktiken konnten so dargestellt werden. Das Projekt integriert die Vierjahresplankonzerne in ein komplexeres Netzwerk innerhalb der Germanisierungs- und Vernichtungspolitik und zeigt deren spezifische, nichtwirtschaftliche Funktionen auf. Die Auswertung eines diversen und aussagekräftigen Quellenkorpus in einer Vielzahl von Archiven und digitalen Datenbanken ermöglichte die umfassende Bearbeitung der ursprünglichen Fragestellung.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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