Sicherheitsvorstellungen in der Antike. Bedeutungsfeld und Stellenwert des Konzeptes 'Sicherheit' in Griechenland in archaischer und klassischer Zeit, mit einer vergleichenden Studie zu den römischen Verhältnissen der späten Republik und frühen Kaiserzeit.
Final Report Abstract
Hauptziel des Projekts war die Untersuchung des griechischen Sicherheitsdenkens der archaischen und klassischen Zeit, was bisher ein Desiderat darstellte. Um diese Wissenslücke der althistorischen Forschung zu schließen, wurde eine Datenbank entworfen und mit ca. 700 Einträgen gefüllt, die sämtliche relevanten Quellenstellen für den zentralen griechischen Untersuchungsbegriff aspháleia enthält und analytisch dokumentiert. Auf dieser Grundlage wurden fundamentale Erkenntnisse über den diskursiven Umgang mit diesem Wertbegriff in beiden Epochen gewonnen. Die Ergebnisse erweitern unsere Kenntnisse über den griechischen Wertekanon und die Entwicklung politischer Ideen erheblich. Vor Fachpublikum konnten die entstandenen Thesen bereits mehrfach überzeugen. Nach Erscheinen der geplanten Monographie im Jahr 2016 werden sie ein festes Fundament für weitere Untersuchungen politischer Diskurse der Griechen bilden, werfen jedoch zugleich ein neues Licht auf die moderne Konjunktur des Sicherheitsdenkens, in dem der Sicherheitsbegriff zu einer leitenden Wertidee geworden ist. Zusammenfassend kann man festhalten, dass die aspháleia in archaischer Zeit noch kaum normative Geltung erlangte, sondern vielmehr wörtlich als „Nicht-Umfallen“, mithin als alltäglicher Begriff für Standhaftigkeit verwendet wurde. Dies änderte sich völlig im frühen fünften Jahrhundert v.Chr., in dem der Begriff in allen sozialen Bereichen zum Inbegriff der Beständigkeit und Nichtgefährdung von Poleis, von Herrschafts- und Besitzverhältnissen, aber auch und besonders von Individuen wurde. Zum politischer Leitbegriff wurde er allerdings nie, was wohl damit zusammenhing, dass im Lauf des fünften Jahrhunderts eine Umwertung stattfand, in deren Folge die aspháleia gegenüber anderen Begriffen wie Freiheit (eleuthería) und Gefahr (kíndynos) an Bedeutung verlor. Statt als durchweg positiv konnotierter kollektiver und individueller Wertbegriff, wie zu Beginn der Klassik, wurde der Begriff nunmehr als Inbegriff individuellen Glücksstrebens gebraucht und diente daher rhetorisch zunehmend oft zur Invektive gegen politische Konkurrenten. Genau entgegengesetzt zu den heutigen Verhältnissen galt in der griechischen Klassik also die Sicherheit als ein individuelles, gar als partikularistisches, die Freiheit hingegen als kollektives Gut, wodurch erstere im rhetorischen Konkurrenzkampf einen viel geringeren Stellenwert genoss als dies in der Moderne der Fall war und ist.
Publications
- Einleitung (zum Abschnitt über die Antike), in: Melville, Gert/ Vogt-Spira, Gregor, Breitenstein, Mirko (Hrsg.), Sorge (= Europäische Grundbegriffe im Wandel: Verlangen nach Vollkommenheit 2), Köln/ Weimar/ Wien 2015, pp. 15–19.
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(See online at https://doi.org/10.7788/9783412502324-002) - From patronus to pater. The Changing Role of Patronage in the Period of Transition from Pompey to Augustus. In: Pina Polo, Francisco/ Jehne, Martin (Hrsg.): Foreign clientelae in the Roman Empire. A Reconsideration (= Historia Einzelschriften, Bd. 238), Stuttgart 2015, pp. 297–319, ISBN 978-3-515-11061-7.
Jehne, Martin
(See online at https://doi.org/10.1017/S0075435817000259) - AsphaleiaDB. Annotierte Quellensammlung zu griechischen Sicherheitsvorstellungen. Forschungsdaten zum Sicherheitsdenken im antiken Griechenland. Unter Mitarbeit von Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen, Dresden [OpARA] 2018
Pauling, Daniel
(See online at https://dx.doi.org/10.25532/OPARA-20) - 'Ἀσφάλεια. Die Entwicklung der Sicherheitsvorstellungen und der Diskurs über Sicherheit im archaischen und klassischen Griechenland. Dissertation, betreut von Martin Jehne, TU Dresden, [Qucosa] 2019, 639 S.
Pauling, Daniel
(See online at https://dx.doi.org/10.25368/2018.2)