Methodische und numerische Untersuchungen zur Festlegung eines einheitlichen globalen vertikalen Datums
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Nationalen Höhensystemen liegt im Allgemeinen ein individuelles vertikales Datum zu Grunde, welches durch einen lokalen Meerespegel definiert ist. Global gesehen unterscheiden sich die Niveaus verschiedener Höhensysteme daher um ±1–2 m. Bei vielen globalen geodätischen Aufgabenstellungen sowie bei der Bewertung globaler geodynamischer und klimatologischer Prozesse ist es allerdings erforderlich, sich auf ein einheitliches physikalisches Höhenniveau zu beziehen. Die Realisierung eines globalen vertikalen Datums ist hierfür von zentraler Bedeutung. Vor dem Hintergrund dieser Höhendatumsproblematik war die primäre Zielsetzung des DFG-Forschungsprojektes die Entwicklung praktikabler Verfahren zur Ableitung von Datumsparametern, mit denen eine Integration nationaler Höhensysteme in ein globales vertikales Datum ermöglicht wird. Hierzu wurden zwei Verfahren mit unterschiedlichem Genauigkeitsniveau vorgeschlagen und anhand methodischer und numerischer Untersuchungen deren Leistungsfähigkeit analysiert. Im ersten Verfahren V1 werden aktuelle Geopotentialmodelle (GPMs) der GOCE-Satellitenmission, die ein globales einheitliches Bezugsniveau realisieren, zur Verknüpfung von Höhensystemen verwendet. Hierbei werden Höhenoffsets in einer Ausgleichung nach der Methode kleinster Quadrate durch den Vergleich von satellitenbasierten GPM-Informationen mit denen aus GNSS/Nivellementpunkten (GNSS/Niv-Punkte) geschätzt. Die eingeschränkte spektrale Auflösung der GPMs ist dabei zu erweitern, was in der Regel durch eine Kombination mit dem hochauflösenden Modell EGM2008 geschieht. Während diese Kombination durch die Verwendung einer Hanning-Fensterfunktion optimiert werden konnte, wurden beim Verfahren V1 zusätzlich auch die verbleibenden hochfrequenten Signalanteile berücksichtigt und mittels Vorwärtsmodellierung aus digitalen Geländemodellen berechnet. In diesem Zusammenhang wurde eine Alternative zum klassischen Residual Terrain Modelling (RTM)-Ansatz entwickelt, mit der eine direkte Hochpassfilterung im Schwerebereich möglich ist. Bei der praktischen Anwendung des Verfahren V1 auf Datensätze in Deutschland, Österreich und Brasilien konnte gezeigt werden, dass die Berücksichtigung von hochfrequenten topographischen Effekten für die Schätzung von Höhenoffsets mit cm- bis dm-Genauigkeit sehr wichtig ist. Da das satellitenbasierte Verfahren V1 ohne terrestrische Punktschweremessungen auskommt, eignet es sich vor allem für den Einsatz in Entwicklungs- und Schwellenländern mit geringer geodätischer Infrastruktur. Um eine hochgenaue Lösung zu erhalten, wurde in einem zweiten Verfahren V2 eine neue, innovative Vorgehensweise basierend auf einem fixen geodätischen Randwertproblem (GRWP) entwickelt. Hierzu wird das GRWP in den jeweiligen GNSS/Niv-Punkten gelöst und die Datumsparameter im Rahmen eines Ausgleichungsansatzes als Zusatzparameter geschätzt. Im Gegensatz zum Verfahren V1 sind hierzu terrestrische Schweremessungen als Datengrundlage erforderlich. Um die entwickelte Methode zu validieren, wurden zunächst einige Untersuchungen im Rahmen einer Closed-Loop-Simulation durchgeführt. Hierbei konnte gezeigt werden, dass eine mm-Genauigkeit für die zu schätzenden Höhenoffsets prinzipiell möglich ist. Aufgrund der beschränkten Verfügbarkeit von hochgenauen terrestrischen Schweremessungen musste für die praktische Umsetzung des Verfahrens V2 der globale Integrationsradius der Hotine-Integration stark eingeschränkt werden. Um den Einfluss des dabei entstehenden Abbruchfehlers zu reduzieren, wurde eine geeignete Modifikation des Hotine-Integralkerns sowie die zusätzliche Einbindung eines GPM in einem Remove-Compute-Restore-Ansatz verwendet. Für einen in der Praxis realistischen Integrationsradius von 3◦ konnte durch Simulationen gezeigt werden, dass im Fall der Modifikation nach Heck und Grüninger und der Einbindung eines GPM bis zu einem Entwicklungsgrad N = 200 der entstehende Abbruchfehler im Rahmen der Genauigkeitsanforderungen vernachlässigt werden kann. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurde das Verfahren V2 schließlich auf einen zusammengestellten terrestrischen Schweredatensatz in Mitteleuropa zur Schätzung der Höhenoffsets von Baden-Württemberg und der Schweiz angewendet. Thematisch abgerundet wurden die Analysen zum Verfahren V2 durch Untersuchungen zur Abschätzung und Berücksichtigung von Approximationsfehlern in der sphärischen Lösung des fixen GRWP, insbesondere zu ellipsoidischen Effekten. In diesem Zusammenhang wurde für die Lösung des fixen GRWP für nichtsphärische Randflächen ein Einschrittverfahren als Alternative zum herkömmlichen Zweischrittverfahren vorgeschlagen und dessen numerische Eigenschaften analysiert.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2013): Optimized formulas for the gravitational field of a tesseroid. Journal of Geodesy 87(7):645–660
Grombein, T., Seitz, K. und Heck, B.
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(2014): A wavelet-based assessment of topographicisostatic reductions for GOCE gravity gradients. Surveys in Geophysics 35(4):959–982
Grombein, T., Luo, X., Seitz, K. und Heck, B.
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(2014): On the effect of planar approximation in the geodetic boundary value problem. Studia Geophysica et Geodætica 58(4):536–555
Müßle, M., Heck, B., Seitz, K. und Grombein, T.
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(2016): Height system unification based on the fixed GBVP approach. In: Rizos, C., und Willis, P. (Hrsg.) IAG 150 years, International Association of Geodesy Symposia, vol. 143. Springer Berlin Heidelberg, S. 305–311
Grombein, T., Seitz, K. und Heck, B.
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(2016): The Rock-Water-Ice topographic gravity field model RWI TOPO 2015 and its comparison to a conventional rock-equivalent version. Surveys in Geophysics 37(5):937–976
Grombein, T., Seitz, K. und Heck, B.
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(2017): Gravity forward modeling with a tesseroid-based Rock-Water-Ice approach – Theory and applications in the context of the GOCE mission and height system unification. Dissertation. Karlsruher Institut für Technologie, KITopen
Grombein, T.
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(2017): On high-frequency topography-implied gravity signals for height system unification using GOCE-based global geopotential models. Surveys in Geophysics 38(2):443–477
Grombein, T., Seitz, K. und Heck, B.