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Analyse der Beziehungen zwischen Haskala und Neuhumanismus, Edition bildungsprogrammatischer Werke David Friedländers und seines Briefwechsels mit Wilhelm von Humboldt

Antragstellerin Dr. Uta Hella Lohmann
Fachliche Zuordnung Allgemeine und Historische Erziehungswissenschaft
Religionswissenschaft und Judaistik
Förderung Förderung von 2012 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 214497859
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Gespräch mit Friedländer und im interkulturellen Austausch mit einer beträchtlichen Anzahl weiterer jüdischer Freunde realisierte Humboldt früh seine individuelle Bildung. Die Einwirkung der jüdischen Aufklärung (Haskala) ist zum einen in Humboldts eigener Lebenshaltung erkennbar, die unter dem Anspruch der Selbstbildung stand und zwischen theoretischer Reflexion und praktischer Wirksamkeit abwechselte. Zum anderen ist ein Einfluss auch aus Humboldts bildungstheoretischen Ansätzen und bildungspolitischen Reformentwürfen ersichtlich. Hauptsächlich vermittelt durch Friedländer, war Humboldts neuhumanistisches Bildungsdenken grundlegend beeinflusst von der Religionsphilosophie Moses Mendelssohns und dem daraus entwickelten Bildungskonzept der Haskala, das sich aus einer modernen Lesart der hebräischen Bibel (Tanach) ableitete. In den Lehren des Tanach sahen die jüdischen Aufklärer (Maskilim) eine besondere Form lebenspraktischen Wissens, das sich sowohl jeder „selbsttätig“ aneignen als auch an andere weitervermitteln sollte. Diesem pädagogischen Imperativ folgten die Maskilim vor allem mit der deutschen Übersetzung des Tanach. Mit dem biblischen Übersetzungswerk ging die Selbstbildung durch die Aneignung des mit dem Hebräischen verbundenen spezifischen ‚Nationalgeist‘ des jüdischen Altertums einher, der mit Hilfe der kulturellen Übersetzung transferiert werden konnte. Der Übersetzungsprozess glich somit der Annäherung an den ‚hebräischen Geist‘ des Tanach, der als Bildungsideal begriffen wurde. Aus diesem Ideal generierte die Haskala initial die Idee Allgemeiner Menschenbildung. Bildungsphilosophischer Ausgangspunkt war das von Mendelssohn sowohl religiös als auch anthropologisch begründete Interesse an der ausgewogenen („proportionierlichen“) Entfaltung der allen Menschen in individuellem Maße eigenen intellektuellen und emotionalen Fähigkeiten („Seelenkräfte“). Die Idee der Bestimmung des Menschen zur Vervollkommnung seiner Kräfte liegt allen bildungstheoretischen Aussagen der Maskilim zugrunde. Deutlich erhob auch Humboldt diesen Ansatz zum lebensbegleitenden Prinzip. Die Einflüsse der maskilischen Bildungsvorstellung sind in seinem Denken klar festzumachen. Sie lassen sich erkennen in seiner Übersetzungstheorie, seiner Sprachphilosophie, seinen Charakterstudien und nicht zuletzt in seiner Bildungstheorie, in der die Idee der Allgemeinen Menschenbildung grundlegend war und das Zusammenwirken von Religion und Kunst, Gesinnung und Sittlichkeit einen zentralen Platz einnahm. Zusammenfassend lassen sich die Arbeitshypothesen des Forschungsvorhabens bestätigt: 1) David Friedländer war eine bedeutende und von der Forschung bislang kaum beachtete Persönlichkeit im bildenden Umfeld Humboldts; 2) Wilhelm von Humboldts neuhumanistische Bildungstheorie verdankt einige ihrer wichtigsten Wurzeln dem Bildungskonzept der Haskala, insbesondere vermittelt durch David Friedländer; 3) Die maskilische Bildungsvorstellung stellte eine eigenständige bildungsprogrammatische Position neben dem Philanthropismus dar.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • David Friedländers Rede an den Skeptiker oder Über den Bildungswert der Religion in aufgeklärten Zeiten. In: Rainer Kampling, Alice Buschmeier, Sara Han, David Jünger (Hrsg.): Aspekte des Religiösen (2. Jahrbuch Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg). Berlin: Hentrich & Hentrich Verlag 2015, S. 29-45
    Uta Hella Lohmann
  • „Dem Wahrheitsforscher zur Belehrung“. Die Herausgaben von Moses Mendelssohns Hanefesh (1787) und Phädon (1814-1821) durch David Friedländer: Kontexte, Adressaten, Intentionen. In: Mendelssohn-Studien 19 (2015). S. 45-77
    Uta Hella Lohmann
  • „Uns wird gewiß immer unvergeßlich bleiben, wie er bildend auf uns beide eingewirkt hat“ – David Friedländer als ideeller Vater der Brüder Humboldt? In: Miriam Gillis-Carlebach et al. (Hrsg.): „Horchet, ihr Söhne, der Moral des Vaters, und höret zu, um Weisheit zu erkennen“ (Sprüche 4,1). Die Zehnte Joseph Carlebach-Konferenz ... (Publications of the Joseph Carlebach Institute). München, Hamburg 2016, S. 51-70
    Uta Hella Lohmann
  • Die Humboldt-Friedländer-Korrespondenz. In: Wilhelm von Humboldt-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung. Hrsg. von Cord-Friedrich Berghahn. Stuttgart: J.B. Metzler Verlag 2017
    Uta Hella Lohmann
  • Wilhelm von Humboldts jüdische Freundschaften und die Berliner Haskala. In: Wilhelm von Humboldt-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung. Hrsg. von Cord-Friedrich Berghahn. Stuttgart: J.B. Metzler Verlag 2017
    Uta Hella Lohmann
  • „edle Frauen, zärtliche Gattinnen, verständige Mütter und kluge Hauswirtinnen“ – zum Weiblichkeitsideal der Berliner Haskala. In: Hannah Lotte Lund, Ulrike Schneider, Ulrike Wels (Hrsg.): Die Kommunikations-, Wissens- und Handlungsräume der Henriette Herz (1764-1847). Neue Perspektiven auf Leben und Werk. Göttingen 2017
    Uta Hella Lohmann
 
 

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