Theologie und Sklaverei von der Antike bis zur Frühen Neuzeit: Frühe Neuzeit
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt, das als interdisziplinäres Gemeinschaftsprojekt der beiden Antragstellerinnen konzipiert ist, hat sich erstmals mit einem bislang völlig fehlenden theologiegeschichtlichen Zugriff auf die Sklavereigeschichte im Längsschnitt beschäftigt. Rasch stellte sich heraus, dass das Thema Sklaverei in der christlichen Theologie vom Neuen Testament über die frühchristlichen Autoren bis hin zu den Theologen der Frühen Neuzeit (sowie darüber hinaus) einen zentralen Platz einnimmt. Dies erklärt sich zunächst damit, dass die Sklaverei eine selbstverständliche Realität in der Lebenswelt dieser Christen darstellte, mit der sie selbst mehr oder weniger intensiv in Berührung gerieten. Die daraus entstehenden Auseinandersetzungen führten zu vielfaltigen Reflexionen über die Ursachen der Entstehung von Sklaverei, über ihre mögliche Beendigung oder auch über die konkrete Ausgestaltung der Beziehungen zwischen (christlichen) Herren und (christlichen) Sklaven. Als zentrale Autoritäten gerieten dabei vor allem das Alte und Neue Testament in den Blick, deren einschlägige Äußerungen christliche Bibelausleger und Prediger über die Jahrhunderte hinweg verwendeten, um Antworten auf die geschilderten Fragen zu finden. Doch beeinflusste nicht nur die Bibel ihre Positionierungen. Als entscheidend erwies sich vor allem in den ersten Jahrhunderten der Rekurs auf Antworten der paganen Philosophie und des geltenden Römischen Reichs, auch wenn diese „Quellen" nur selten explizit gekennzeichnet wurden. Durch die Rezeption der hochgeschätzten Kirchenväter bis in die Frühe Neuzeit verloren damit auch diese Modelle nichts von ihrer Außenwirkung. Nicht selten kommt es dabei zu miteinander konkurrierenden und in sich nicht kohärenten Erklärungen, wenn z.B. philosophische Konzepte einer Sklaverei von Natur aus mit der alttestamentlichen Erzählung von der Zurücksetzung des Esau vermischt werden oder Thomas von Aquin auf verschiedene Modelle der Entstehung von Sklaverei bei Aristoteles und Augustinus zurückgreift, ohne deren Widersprüche tatsächlich aufzulösen. Wie ließ sich nun die Praxis der Sklaverei mit dem Christentum vereinbaren, das jeden Menschen als Ebenbild Gottes versteht und dies gleichzeitig über Jahrhunderte hinweg nichl als Widerspruch zu Sklaverei sah? Als zentrale Legitimations- und Bewältigungsstrategie spielte die schon in der paganen Philosophie gebräuchliche Unterscheidung zwischen „innerer" und „äußerer" Sklaverei bzw. Freiheit, die christliche Autoren bis in die Frühe Neuzeil rezipieren, eine große Rolle, und dies mit ambivalenten Auswirkungen. Einerseits rückte sie dieses Thema in eine ethische oder gnadentheologische Dimension und wertete es damit auf. Herren und Sklaven werden zu gegenseitiger Liebe und zur Wahrnehmung von Verantwortung im jeweiligen Stand angehalten, wodurch eine gewisse „Humanisierung" der Verhältnisse möglich scheint. Andererseits dispensierte die damit verbundene Relativierung der irdischen Verhältnisse auch von einer Gesellschaftskritik, indem die innere Freiheit höher bewertet wurde als die äußere. Schließlich konnten auch konsolatorische Hinweise auf das Jenseits systemstabilisierend wirken. Dagegen hat man das abolitionistische Potenzial verschiedener biblischer Gleichheitsaussagen (z.B. Gal 3,28) erst in der jüngeren Zeit erkannt - als Idee ist es allerdings über die Jahrhunderte hinweg zum Beispiel in einigen mönchischen Kreisen bewahrt worden. Weitere interreligiöse und interkonfessionelle Forschungen erscheinen wünschenswert.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Sklaverei in der Neuzeit (Geschichte kompakt), Darmstadt 2014
Nicole Priesching
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Gefangenenloskauf im Mittelmeerraum. Ein interreligiöser Vergleich. (Sklaverei - Knechtschaft - Zwangsarbeit 13), Hildesheim 2015, XXIV, 356 S. [= Tagungsband]
Heike Grieser / Nicole Priesching (Hgg.)
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Theologie und Sklaverei von der Antike bis in die frühe Neuzeit. (Sklaverei - Knechtschaft - Zwangsarbeit, 14), Hildesheim, Olms, 2016. 308 S. - 978-3487154213
Nicole Priesching; Heike Grieser (eds.)
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Sklaverei im Urteil der Jesuiten. Eine theologiegeschichtliche Spurensuche im Collegio Romano (Sklaverei - Knechtschaft - Zwangsarbeit, 15), Hildesheim, Olms, 2017. 344 S. - 9783487422060.
Nicole Priesching; Unter Mitarbeit von Gabriel-David Krebes und Tilman Moritz