Untertanensuppliken am Reichshofrat in der Regierungszeit Kaiser Rudolfs II. (1576-1612)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt fokussiert mit der kaiserlichen Gnadengewalt einen bislang vergessenen Baustein der politischen Ordnung des Reiches. Die daraus erwachsenen Suppliken von Untertanen, die sich meist als Einzelpersonen an den Reichshofrat wandten, bildeten den Gegenstand des Forschungsvorhabens. Diese wurden für die Regierungszeit Kaiser Rudolf II. (1576-1612) in einer länderübergreifenden Kooperation systematisch erfasst und in Form einer öffentlich zugänglichen Online-Datenbank präsentiert, die sich auch als Beitrag zu den Debatten um das Editieren historischer Quellen im digitalen Zeitalter versteht. In seinem inhaltlichen Zuschnitt verband das Projekt die Forschungen zum frühneuzeitlichen Supplikenwesen mit den Arbeiten zur monarchischen Herrschaftsausübung sowie deren institutionellen Kontexten und knüpfte bei der Auswertung der erfassten Supplikationsverfahren an die in den vergangenen Jahren international diskutierten Ansätze einer Kulturgeschichte des Politischen und den dort erprobten kommunikationsgeschichtlichen Methoden an. Anhand von insgesamt ca. 1500 erschlossenen Verfahren konnte ein Handlungsmuster zwischen dem Kaiser und den Untertanen rekonstruiert, beschrieben und analysiert werden, das die Wirkungsmacht des kaiserlichen Amtes, seiner Funktionen und imaginierten Zuschreibungen in den Vorstellungswelten der reichsmittelbaren Bevölkerung dokumentiert und zugleich vielfache Handlungsoptionen auslöste. Dabei zeigte sich (1) die große inhaltliche Spannbrelte der vorgebrachten Anliegen, die nur mit der Anwendung eines offenen, breiten Supplikenbegriffes adäquat gefasst werden konnten; daraus resultierend (2) der immense Stellenwert der außergerichtlichen Tätigkeitsfelder des Reichshofrats, die Ausfluss der kaiserlichen Reservatsrechte waren und die erstmals für diesen Themenbereich systematisch dargelegt werden konnten; (3) die Relevanz der geographischen sowie der sozialen Nähe zum Kaiserhof für diese Handlungsoption - gleichwohl sich auch eine räumliche Streuung der Herkunftsorte aus dem gesamten Reichsgebiet nachweisen ließ und dabei die bekannten .reichsnahen' Landschaften Schwabens und Frankens dominieren. Für die rekonstruierte Verfahrenspraxis waren insbesondere zwei Merkmale kennzeichnend: die facettenreichen Zuschreibungen an die Wirkmächtigkeit des Kaisers durch die BittstellerInnen, die erstmals ein Kaiserbild offen legen, dessen legitimatorische Funktion für das Reichssystem weiter zu diskutieren sein wird sowie vielfältige Austauschprozesse zwischen Reichsständen und Reichshofrat, die ein präziseres Bild des dualistischen Gegenübers zwischen Territorien und Reich zeichnen als dies die bisherige Verfassungsgeschichte vermochte. http://www-gewi.uni-Qraz.at/suppliken/de/datenbank ; Projektdatenbank (1534 Verfahren; mit Einleitung)
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Die Ausübung kaiserlicher Gnadengewalt durch den Reichshofrat. Untertanensuppliken am Reichshofrat Kaiser Rudolfs II. (1576-1612), in: Gabriele Haug-Moritz, Sabine Ullmann (Hgg.), Frühneuzeitliche Supplikationspraxis und monarchische Herrschaft in europäischer Perspektive (Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs 5/2), Wien 2015, S. 215-228
Thomas Schreiber
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Einleitung, in: Dies. (Hgg.), Frühneuzeitliche Supplikationspraxis und monarchische Herrschaft in europäischer Perspektive (Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs 5/2), Wien 2015, S. 177-189
Gabriele Haug-Moritz, Sabine Ullmann
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Euer Kaiserlichen Majestät in untertängigster Demut zu Füßen. Das Kooperationsprojekt „Untertanensuppliken am Reichshofrat in der Regierungszeit Kaiser Rudolfs II. (1576-1612)", in: Alexander Denzler u.a. (Hgg.), Prozessakten, Parteien, Partikularinteressen: Höchstgerichtsbarkeit in der Mitte Europas vom 15. bis zum 19. Jahrhundert, Berlin 2015, S. 71-96
Ulrich Hausmann/Thomas Schreiber
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Frühneuzeitliche Supplikationspraxis und monarchische Herrschaft in europäischer Perspektive (Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs 5/2), Wien 2015, S. 177-369
Gabriele Haug-Moritz, Sabine Ullmann (Hgg.)
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Sich ahn höheren Ort beclagen unnd das kayserliche Recht darüber ahnrueffen. Herkunft, Zielsetzung und Handlungsstrategie supplizierender Untertanen am Reichshofrat Kaiser Rudolfs II. (1576-1612) unter Einbeziehung süddeutscher Archive, in: Gabriele Haug-Moritz, Sabine Ullmann (Hgg.), Frühneuzeitliche Supplikationspraxis und monarchische Herrschaft in europäischer Perspektive (Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs 5/2), Wien 2015, S. 191-213
Ulrich Hausmann