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Heideggers Spätphilosophie als Ansatzmöglichkeit für eine zeitgemäße philosophische Theologie

Antragsteller Dr. Rico Gutschmidt
Fachliche Zuordnung Theoretische Philosophie
Förderung Förderung von 2012 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 210325224
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Vor dem Hintergrund der Frage nach einem philosophischen Verständnis der religiösen Rede von Gott wurde in diesem Projekt eine neue Interpretation des Spätwerks Martin Heideggers vorgeschlagen. Aus systematischer Perspektive scheint es für ein solches Verständnis nur die beiden Möglichkeiten des theistischen Realismus, der Gott als ein tatsächlich existierendes Wesen ansieht, oder des Nonkognitivismus zu geben, nach dem die religiöse Rede lediglich von subjektiven Zuständen handelt. Dagegen konnte in diesem Projekt mit Heidegger gezeigt werden, wie man sinnvoll von Gott sprechen kann, ohne sich auf ein seiendes Wesen zu beziehen und ohne lediglich religiöse Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Dazu wurde eine Reformulierung des Gehalts der religiösen Rede von Gott in den Begriffen des Dass bzw. der Grundlosigkeit des Seienden vorgeschlagen, die insofern den gleichen Status wie die Rede von Gott hat, als sie ebenfalls nicht buchstäblich zu verstehen ist. In beiden Fällen handelt es sich um absolute Metaphern im Sinne Blumenbergs, die etwas zu verstehen geben, das sich nur auf diese Weise sagen lässt. Zum vollen Verständnis dieser Redeweisen gehört daher auch ihre Destruktion, wofür die negative Theologie ebenso steht, wie zum Beispiel die Anfechtungserlebnisse Luthers und die Verzweiflung in der Philosophie des Existenzialismus. Mit Heidegger lässt sich zeigen, dass diese Destruktionen zu einer Haltung des grundlosen Getragenseins angesichts der Unbegreiflichkeit der menschlichen Situation führen, als die hier auch der Glaube verstanden wird. Dazu gehört der Übergang einer Umwendung, die der religiösen Metanoia nahekommt, und die nicht von selbst herbeigeführt werden kann, sondern zwischen Aktivität und Passivität steht, was der klassischen Rede von der Gnade entspricht. Während sich Religionen wie der Buddhismus von vornherein als nicht-theistisch verstehen und ebenfalls auf diese Weise gelesen werden können, wird diese Sichtweise hier im Kontext theistischer Religionen als post-theistische Religiosität bezeichnet. Der christliche Glaube zum Beispiel hat zwar viele weitere Aspekte, kann aber im Kern als eine Haltung des grundlosen Vertrauens im Sinne einer solchen post-theistischen Religiosität verstanden werden. Eine solche post-theistische Religiosität wurde in diesem Projekt im Spätwerk Martin Heideggers freigelegt, womit nicht nur eine neue Interpretation dieser Philosophie vorgeschlagen wird, sondern auch ein Beitrag zu der religionsphilosophischen Fragestellung nach einem Verständnis der religiösen Rede zwischen Theismus und Nonkognitivismus. Damit handelt es sich hier um eine wechselseitige Befruchtung zweier Fragestellungen. Dabei geht es aber nicht nur um eine neue Heidegger-Interpretation und einen Beitrag zur Religionsphilosophie, sondern um ein Verständnis der Situation des Menschen überhaupt, der von etwas abhängt, das er nicht begreift. Diese Situation kann sprachlich vergegenwärtigt werden, etwa in der Rede von Gott oder im Verweis auf die Grundlosigkeit der Welt, muss aber in der Erfahrung einer Umwendung auch erlebt werden, die zu einer Haltung führt, die man als grundloses Vertrauen bezeichnen kann, und die sich in Heideggers Konzept der Gelassenheit ebenso findet, wie im religiösen Glauben.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • „Der späte Heidegger und der gemeinsame Kern von Philosophie und Theologie“, in: Virgilio Cesarone, Alfred Denker, Annette Hilt und Holger Zaborowski (Hrsg.) Heidegger-Jahrbuch 9: Heidegger und die technische Welt, Freiburg, München: Alber, 2015, S. 188-202
    Gutschmidt, Rico
  • Glaube als Haltung. Gelassenheit und grundloses Vertrauen beim späten Heidegger“ in: Rico Gutschmidt und Thomas Rentsch (Hrsg.) Gott ohne Theismus? Neue Positionen zu einer zeitlosen Frage. Münster, Deutschland: Mentis (2016)
    Gutschmidt, Rico
  • Sein ohne Grund. Die post-theistische Religiosität im Spätwerk Martin Heideggers, Freiburg, München: Alber, 2016. - 9783495488386. - 416 S.
    Gutschmidt, Rico
  • „Unbegründeter Glaube und grundloses Sein. Der Regress bei Wittgenstein und Heidegger“ in: Stefan Berg und Hartmut von Sass (Hrsg.) Regress und Zirkel. Figuren prinzipieller Unabschließbarkeit: Architektur - Dynamik - Problematik (Blaue Reihe), Hamburg: Meiner, 2016. - 978-3787330041
    Gutschmidt, Rico
  • „The Late Heidegger and a Post-Theistic Understanding of Religion“, (Journals:) Religious Studies, 1-17, May 2018
    Gutschmidt, Rico
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1017/S0034412518000276)
 
 

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