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Der intergenerationale Austausch von Zeit und Geld: Reziprozität in Eltern-Kind-Beziehungen

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2011 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 206677989
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt untersuchte Austauschbeziehungen zwischen hilfs- und pflegebedürftigen Eltern und ihren erwachsenen Kindern. Mit Hilfe von quantitativen Sekundäranalysen und qualitativen Interviews wurden unter anderem die folgenden Forschungsfragen adressiert: Welche Kinder erklären sich bereit die Pflege der Eltern zu übernehmen? Wie unterscheiden sie sich von Ihren Geschwistern und welche Rolle spielen dabei frühere finanzielle Transfers von den Eltern? Für die Beantwortung dieser Fragen wurden in dem Projekt die Mechanismen sozialer Unterstützung in Eltern-Kind-Beziehungen erforscht. Im Mittelpunkt stand dabei das Prinzip der Reziprozität, nach dem Eltern und Kinder sich verpflichtet fühlen, empfangene Leistungen zu begleichen. Sowohl in den quantitativen Analysen als auch in der qualitativen Teilstudie konnten zwei verschiedene Formen direkter Reziprozität nachgewiesen werden: Langzeit- und Kurzzeitreziprozität. Die beiden Transfermuster unterscheiden sich im Hinblick auf die Zeitspanne zwischen Gabe und Rückgabe. Bei Kurzzeitreziprozität erfolgen Gabe und Gegengabe innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums. Insbesondere in den quantitativen Analysen zeigte sich dieses Austauschmuster vor allem in Familien, in denen die Eltern auf sehr intensive Pflegeleistungen angewiesen sind. Hier wirkt ein reziproker Austausch als Entlastung für die pflegebedürftigen Eltern und ihre helfenden Kinder. Darüber hinaus gab es sowohl in den quantitativen Analysen als auch in der qualitativen Teilstudie zahlreiche Hinweise auf eine lebensgeschichtlich generalisierte Reziprozität. Unterstützungsleistungen der Kinder an hilfs- und pflegbedürftige Eltern werden hierbei als Rückzahlungen für lange zurückliegende Transfers der Eltern aufgefasst. Zudem fanden sich Reziprozitäts- und Austauscherwägungen auch im Hinblick auf antizipierte Transfers (Erbschaften und Auszahlung der Lebensversicherung). Insgesamt zeigten somit alle Analysen, dass Unterstützungsleistungen in späten Eltern-Kind-Beziehungen unter anderem durch den Verweis auf verschiedene Formen der Reziprozitätsnorm erklärt werden können. Darüber hinaus wurden auch zahlreiche alternative Erklärungen berücksichtigt. Insbesondere in der qualitativen Teilstudie konnte hierbei eine große Persistenz von traditionellen Geschlechterrollen und eine starke Wirksamkeit einer abstrakten filialen Zuständigkeitsnorm nachgewiesen werden. Insgesamt trugen die in diesem Projekt vorgeschlagene Differenzierung zweier reziproker Austauschmuster und die Wahl einer analytischen Perspektive, die alle Eltern-Kind-Dyaden innerhalb einer Familie in Beziehung zueinander setzt, zu einem besseren Verständnis von Austauschbeziehungen in späten Eltern-Kind-Beziehungen bei. Die Ergebnisse verdeutlichen unter anderem, dass die Frage, wer die Pflege der Eltern übernimmt, nicht als individuelle Entscheidung konzeptualisiert werden sollte. Die beteiligten Familienmitglieder treffen ihre Entscheidungen nicht unabhängig voneinander, sondern handeln die Aufteilung der Pflegelast untereinander aus. Nicht alle Kinder unterstützen ihre pflegebedürftigen Eltern im gleichen Umfang. Häufig trägt auch in Mehrkindfamilien nur ein Kind die alleinige Pflegelast, während sich die übrigen Geschwister dieser Belastung entziehen. Dies lässt sich einerseits durch Geschwisterunterschiede in der Wohnentfernung zu den Eltern sowie durch alternative Verpflichtungen in der eigenen Familie und im Beruf erklären. Andererseits sind geschlechtsspezifische Rollenbilder, elterliche Erwartungshaltungen und Reziprozitätserwägungen bedeutsam. Die Ergebnisse des Projekts wurden in der Berichterstattung von Publikumsmedien berücksichtigt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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