Dyanmiken sozialer Netzwerke in Tieren: Verknüpfung von Methodenentwicklung mit der Analyse empirischer Daten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Viele soziale Tiere bilden mit ihren Gruppenmitgliedern soziale Bindungen und Dominanzbeziehungen aus. Die Gesamtheit solcher Beziehungen in einer Gruppe oder Population formt ein Netzwerk, dessen Struktur wichtige biologische Prozesse wie Kooperationsverhalten oder die Ausbreitung von Infektionskrankheiten entscheidend beeinflussen kann. Um allgemeingültige Schlussfolgerungen über diese Einflüsse abzuleiten, ist es notwendig zu verstehen, wie sich Sozialnetzwerke zeitlich verändern und welche Mechanismen diese Veränderungen antreiben. In dem bearbeiteten Projekt habe ich mich diesen Fragestellungen am Beispiel von frei lebenden Pavianen gewidmet. Zur Bearbeitung der einzelnen Fragestellungen war es notwendig, neue statistische Methoden zu entwickeln. Bisherige Analysen von Sozialnetzwerken haben sich auf strukturelle Analysen statischer, d.h. sich zeitlich nicht verändernder Netzwerke konzentriert. Mithilfe von Simulationsexperimenten habe ich aufgezeigt, dass statistische Verfahren, die zur Analyse von statischen Netzwerken entwickelt wurden, nur bedingt geeignet sind, um zeitliche Veränderungen in Sozialnetzwerken zu untersuchen. Um dieses Problem zu beheben, habe ich neue Methoden entwickelt, die speziell auf die Analyse von dynamischen, d.h. sich zeitlich verändernden Sozialnetzwerken zugeschnitten sind. Im Mittelpunkt der empirisch bearbeiteten Fragestellungen standen lineare Dominanzhierarchien, in denen alle Individuen in einer eindeutigen Rangordnung eingebettet sind. Zahlreiche Studien haben bereits nachgewiesen, dass Individuen von einem hohen Rang profitieren können, z.B. durch verbesserten Zugang zu Futter oder Paarungsmöglichkeiten. Es wird weiterhin spekuliert, dass hochrangige Tiere eine besondere Rolle für das Sozialgefüge einer Gruppe spielen können. Deshalb könnte der Tod oder die Abwanderung von hochrangigen Tieren zu einer Destabilisierung von Sozialstrukturen führen. Meine Untersuchungen an Pavianen zeigten, dass Veränderungen in Sozialnetzwerken nach dem Tod oder der Abwanderung hochrangiger Individuen nur in begrenztem Maße auftreten und zudem von relativ kurzer Dauer sind. Aus diesen Ergebnissen lässt sich schließen, dass obwohl ein hoher Dominanzrang im Allgemeinen für das Individuum bedeutende Vorteile bringen kann, ein weitreichender Einfluss auf das Sozialgefüge der Gruppe nicht in dem selben allgemeingültigen Maβ stattfindet. In einer weiteren Studie an männlichen Pavianen habe ich untersucht, welche Mechanismen den Rang eines Individuums bestimmen und wie sich dieser Rang über die Zeit verändert. Sind Dominanzränge nur ein Abbild von individuellen Eigenschaften, wie z.B. Kampfkraft? Oder wird die Entstehung und Veränderung von Ranghierarchien durch Selbstorganisationseffekte bestimmt? Solche Effekte sind z.B. Gewinner- und Verlierereffekte, die Phänomene beschreiben, in denen der Gewinner (bzw. Verlierer) einer Dominanzinteraktion eine erhöhte (bzw. verminderte) Wahrscheinlichkeit besitzt, auch nachfolgende Interaktionen mit anderen Individuen zu gewinnen. In meinen Untersuchungen konnte ich erstmals zeigen, dass diese Selbstorganisationseffekte nicht nur in Gefangenschaft, sondern auch in frei lebenden Tieren auftreten. Aufbauend auf meinen Ergebnissen habe ich neue Hypothesen zur Evolution dieser Selbstorganisationseffekte in Tiergesellschaften entwickelt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2015). Knockouts of high-ranking males have limited impact on baboon social networks. Current Zoology, 61: 107–113
Franz M, Altmann J, & Alberts SC
(Siehe online unter https://doi.org/10.1093/czoolo/61.1.107) - (2015). Self-organizing dominance hierarchies in a wild primate population. Proceedings of the Royal Society of London Series B-Biological Sciences, 282: 20151512
Franz M, McLean E, Tung J, Altmann J & Albert SC
(Siehe online unter https://doi.org/10.1098/rspb.2015.1512) - Social network dynamics: the importance of distinguishing between heterogeneous and homogeneous changes. Behavioral Ecology and Sociobiology, December 2015, Volume 69, Issue 12, pp 2059–2069
Franz M & Alberts SC
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00265-015-2030-x)