Der Einfluss von Regularitätsverletzungen und persönlicher Relevanz irrelevanter auditiver Information auf serielle Reproduktion: Prüfung von Modellen des menschlichen Arbeitsgedächtnisses
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In der Gesamtschau ergeben sich aus den bisher veröffentlichten Befunden für Modelle des menschlichen Arbeitsgedächtnisses bzw. übergreifende Rahmenvorstellungen zu Interferenzen bei Kurzzeitgedächtnisleistungen und für Modelle, die speziell auf die Erklärung von Störungen serieller Reproduktionsleistungen durch irrelevante akustische Ereignisse zugeschnitten sind, die Konsequenzen, die bereits eingangs bei der Darstellung der ersten Studie (Röer et al. 2013) dargelegt wurden: Die Befunde schwächen das Object-Oriented-Episodic-Record-Modell (Jones 1993), das Duplex-Modell (Hughes et al. 2007) und den Interference-by-Process-Ansatz (Marsh et al. 2009). Umgekehrt stärken die Befunde integrative, aufmerksamkeitsbasierte Erklärungsansätze wie das Embedded-Process-Modell (Cowan 1995) oder das Modell von Aufmerksamkeit und Automatisierung in der auditiven Modalität (Näätänen 1990). Speziell das Object-Oriented-Episodic-Record-Modell (Jones 1993) ist inzwischen mit derart vielen Befunden nicht mehr vereinbar, dass man es als endgültig gescheitert betrachten darf. An einem Punkt wird das besonders deutlich: Dieses Modell impliziert, dass Ablenkungen der Aufmerksamkeit keinerlei Einfluss auf das Ausmaß der Störung serieller Reproduktionsleistungen haben dürfen. Dafür, dass diese Grundannahme falsch ist, existiert mittlerweile derart viel solide Evidenz - im wesentlichen aus dem hier dargestellten Projekt, aber auch aus anderen Arbeiten -, dass man dies nicht länger ignorieren kann. Differenzierter stellt sich das Bild für das Duplex-Modell (Hughes et al. 2005, 2007) dar. Wie beim Object-Oriented-Episodic-Record-Modell wird angenommen, dass lokale Veränderungen der akustischen Distraktoren automatisch zu Interferenz mit der Primäraufgabe der seriellen Reproduktion führen, weil sowohl beim Formen eines auditiven »Stroms« von Distraktoren als auch bei der Verarbeitung der zu memorierenden Information für die serielle Reproduktion Reihenfolgeprozesse impliziert werden. Zusätzlich jedoch wird im Duplex-Modell angenommen, dass Aufmerksamkeitsprozesse eine Rolle spielen: Durch auditive Distraktoren kann der Fokus der Aufmerksamkeit von der Primäraufgabe abgelenkt werden. Allerdings soll dies nur die Enkodierung der zu erinnernden Stimuli stören, nicht aber ihre Aufrechterhaltung im Arbeitsgedächtnis. Genau hier hat das Duplex-Modell ein Problem: Es kann nicht erklären, warum Aufmerksamkeitsablenkungen auch während der Retentionsphase auftreten können. An der Stelle müsste das Duplex-Modell modifiziert werden, um mit den hier vorliegenden empirischen Befunden konsistent zu sein, in dem angenommen wird, dass Aufmerksamkeit nicht bei der Enkodierung, sondern auch bei der Aufrechterhaltung von Information im Arbeitsgedächtnis eine Rolle spielt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2013). Self-relevance increases the irrelevant sound effect: Attentional disruption by one's own name. Journal of Cognitive Psychology, 25, 925-931 [Best Paper Award 2013 der Herausgeber]
Röer, J. P., Bell, R. & Buchner, A.
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(2014). Please silence your cell phone: Your ringtone captures other people's attention. Noise & Health, 16, 34-39
Röer, J. P., Bell, R. & Buchner, A.
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(2014). What determines auditory distraction? On the roles of local auditory changes and expectation violations. PloS one, 9, e84166
Röer, J. P., Bell, R. & Buchner, A.