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Sophist. Die Diffamierung des Gegners als eines Intellektuellen von der griechischen Klassik bis zur römischen Kaiserzeit

Fachliche Zuordnung Evangelische Theologie
Förderung Förderung von 2011 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 196341646
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Untersuchung der Wortgeschichte konnte die Entwicklung und Bedeutungsveränderung des Lexems sophistes genauer erklären: Das Lexem sophistes bezeichnete ursprünglich einen Fachmann oder Gelehrten im Bereich Bildung, Kult und Kultur. Als in der 2. Hälfte des 5. Jhd. v.Chr. in Athen Wanderlehrer auftraten, die neuartige Bildungsinhalte und Unterrichtsmethoden vermittelten, entwickelte sich eine neue Bedeutung des Lexems sophistes „Lehrer“. Als Folge der Krise der athenischen Demokratie Anfang der 20-er Jahre des 5. Jhd. v.Chr. veränderte sich die Konnotation des Lexems: der sophistes wurde zur Bezeichnung des schlechten Lehrers, Platon entwickelte ab ca. 390 den sophistes als Gegenfigur des Philosophen, sophistes wurde zum Schimpfwort für einen Konkurrenten im Bildungswesen. Parallel zu dieser neuen Bedeutung und der Veränderung in der Konnotation (von neutral zu negativ) entwickelte sich ein Muster an Diffamierungen, das bis in die Kaiserzeit stabil bleiben sollte. Dieser Sophistendiskurs diente im damals sehr freien und unreglementierten „Bildungsmarkt“ dazu, das eigene Lehrangebot als seriös, bzw. der Wahrheit verpflichtet darzustellen und gleichzeitig das der Konkurrenz als „unseriös“, bzw. sophistisch zu disqualifizieren: so sind die Schriften De sophistis des Alkidamas bzw. Contra sophistas des Isokrates zu verstehen, aber auch die Sophistenkritik bei Xenophon (Cyneg. 13) und Lysias (Or. 33). Die Funktion des Sophistendiskurses als literarisches Mittel, sich in einem kakophonen Konzert von unterschiedlichsten Bildungsangeboten als „guter Lehrer“ zu positionieren, indem die Widersacher als Sophisten gebrandmarkt werden, ist ein Erkenntnisgewinn dieses Projektes. Der interpretatorische Mehrwert dieser These liegt darin, dass auch ohne explizite Erwähnung des Lexems sophistes von „Sophistendiskurs“ gesprochen werden kann, wenn in einem Text oder Textabschnitt mehrere Muster des Sophistendiskurses auf einen Gegenspieler angewandt werden. Einen weiteren Erkenntnisgewinn bietet das Projekt, indem es erstmals auf das Vorkommen des Schimpfwortgebrauchs des Lexems sophistes in theologisch-religiösen Texten paganer, jüdischer und christlicher Provenienz aufmerksam macht und diesen ideengeschichtlich erklärt: seit Platon ist die Figur des sophistes ontologisch als Gegenspieler des philosophos etabliert, der sophistes ist der Fachmann für den Schein, der philosophos für die Wahrheit oder das Sein. Deshalb ist sophistes das geeignete Schimpfwort, Ansprüche von selbst ernannten Propheten, Orakelpriester oder Vertreter einer als deviant empfundenen Richtung des eigenen Glaubens (Häretiker) als Lüge und Menschenwerk zu entlarven. Das Projekt hat weiter gezeigt, dass das Lexem sophistes auch in hellenistischer Zeit und in der Kaiserzeit weiterhin in seiner ursprünglichen Bedeutung „Gelehrter“, „Fachmann“ verwendet wurde, und zwar sowohl in literarischen Quellen als auch in Inschriften. Als speifische Weiterentwicklung in hellenistischer Zeit hat sich gezeigt, dass sophistes die Bezeichnung des Hofgelehrten war, bestes Beispiel hierfür ist das Buch Daniel der Septuaginta, das Daniel als Vorsteher der sophistai am Hof des Königs kennt. Die vertiefte Beschäftigung mit der Wortgeschichte, der Prosopographie, und den negativen Aspekten des Lexems sophistes vertieft und präzisiert die bestehenden Erkenntnisse über das griechisch-römische Bildungswesen. Das Projekt leistet einen Beitrag zum besseren Verständnis von und zu einem methodisch abgesicherten interpretatorischen Umgang mit Polemik.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Philon und die Philologen, in: Biblische Notizen 148 (2011), 67-83
    Beatrice Wyss
  • Philon und die Sophisten – Philons Sophistendiskurs vor dem Hintergrund des alexandrinischen Bildungsumfelds, in: Martina Hirschberger (Hg.): Jüdisch-hellenistische Literatur in ihrem interkulturellen Kontext, Frankfurt a.M. 2012, 89-105
    Beatrice Wyss
  • Philon und die Pentas. Arithmologie als exegetische Methode, in: Reinhard Feldmeier / Tobias Georges (Hgg.): Alexandria. Stadt der Bildung und der Religion, Mohr-Siebeck: Tübingen 2013, 373-394
    Beatrice Wyss
  • Vater Gott und seine Kinder und Frauen bei Philon von Alexandreia, in: Felix Albrecht / Reinhard Feldmeier (Hgg.): The Divine Father. Religious and Philosophical Concepts of Divine Parenthood in Antiquity (Themes in Biblical Narrative), Brill: Leiden/Boston 2014, 165-179
    Beatrice Wyss
  • „Der gekreuzigte Sophist“, Early Christianity 4/2014
    Beatrice Wyss
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1628/186870314X14243331428403)
  • Lukians sophistische Philosophen in den Fugitivi, in: Arlette Neumann-Hartmann, Thomas S. Schmidt (Hg.): Munera Friburgensia. Festschrift zu Ehren von Margarethe Billerbeck, Peter Lang: Bern 2016, 55-68
    Beatrice Wyss
 
 

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