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Auditive Reafferenzen in der Bewegungskontrolle? Behaviorale und neurophysiologische Effekte der Kompensation während Interferenz und Deprivation

Antragstellerinnen / Antragsteller Professor Dr. Markus Raab, seit 10/2016; Professorin Dr. Ricarda Ines Schubotz
Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2011 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 194699617
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Aus den Ergebnissen des DFG-Projekts lässt sich festhalten, dass motorische und auditive Erfahrung die Wahrnehmungsleistung beeinflussen und das selbst manipulierte natürliche Bewegungsgeräusche einen ausreichend hohen Informationsgehalt haben, um die mnemonische Repräsentation der unverzerrten Bewegungsgeräusche zu aktivieren. Des Weiteren zeigen die Ergebnisse erstmals den Einfluss von auditiven Reafferenzen auf eine komplexe Bewegung jenseits von Sprache und Musik, sowie dass die Versuchspersonen der Gruppe mit verlangsamtem Feedback im Hinblick auf ihre Bewegungszeit profitieren – und zwar trotz ihrer Rückmeldung, die Manipulation nicht. Wir konnten die bestehende Forschung zu AR in Sprache und Musik durch die Behandlung alltäglicher inzidenteller Bewegungsgeräusche ergänzen und anderen, abstrakten Paradigmen wie etwa tonerzeugenden Knopfdrücken, einen ökologisch validen Reiz an die Seite stellen. Zusammenfassend zeigen die Experimente aus dem vorangegangenen DFG-Projekt, dass sich die behaviorale und neuronale Verarbeitung von inzidentellen und intentionalen Bewegungsgeräuschen teilweise unterscheidet: (1) Inzidentell ebenso wie intentional erzeugte Handlungsgeräusche sind Teil des Erwartungsmodells und führen bei einer Verzögerung zu einem Fehlersignal. (2) Intentional erzeugte Handlungsgeräusche werden mit höherem Aufwand verarbeitet als inzidentell erzeugte, wobei dieser Unterschied nicht durch Effekte der Aufmerksamkeit zu erklären ist. (3) Kommen die erwarteten Handlungsgeräusche zu spät, erfordert die korrekte Einschätzung der eigenen Performanz im Falle intentionaler Handlungsgeräusche einen kompensatorischen Mehraufwand. Neben unseren eigenen Studien, finden sich bis jetzt nur wenige weitere zur Verarbeitung von inzidentell erzeugten Geräuschen: solchen beim Gehen, Greifen und Rudern Zweifellos gibt es weiterhin einen besonderen Bedarf, die Rolle inzidentell erzeugter AR besser zu verstehen. Unklar bleibt insbesondere, unter genau welchen Bedingungen welche Aspekte inzidenteller AR unsere Bewegungswahrnehmung und Bewegungskontrolle beeinflussen und potentiell verbessern. Man kann vermuten, dass eine strikt dichotome Einteilung von intentionalen und inzidentellen Handlungsgeräuschen dem breiten Spektrum von geräuscherzeugenden Alltagshandlungen nicht gerecht wird, sondern vielmehr ein Kontinuum realistischer ist, das etwa durch ein Training durchlaufen wird. Im Bereich des Sports wissen wir, dass die Verarbeitung von selbsterzeugten natürlichen oder sonifizierten Bewegungsgeräuschen signifikant trainierbar und für erfahrene Sportler*innen zur Optimierung ihrer Performanz nutzbar ist. Wenn also ein Laie die Geräusche seines Hürdenlaufs vielleicht noch kaum nutzen kann oder wird, sieht dies für eine/n entsprechend trainierte/n und instruierte/n Sportler*in anders aus. Ein im Training eingesetzter Fokus auf die eigenen Bewegungsgeräusche kommt möglicherweise einem Wechsel von eher inzidenteller zu eher intentionaler Geräuscherzeugung nahe; die Bewegung soll sich „besser“ anhören, etwa im Sinne einer Annäherung an eine optimale Rhythmik. Zudem kann eine Deprivation unmittelbar noch kompensierbar sein, wie wir gezeigt haben, sich aber langfristig durchaus negativ auf den Netto-Trainingseffekt auswirken, weil die Deprivation die Entwicklung eines internen Modells zur Bewegungssteuerung über den Lernverlauf erschwert. Ebenso bleibt zu untersuchen, ob eine Verstärkung des auditorischen Feedbacks kurzfristig unmittelbare und/oder langfristige positive Effekte auf die Bewegungswahrnehmung und -ausführung hat. Im aktuellen Projekt wollen wir daher auf einer breiten methodischen Basis motorische und perzeptuelle Lerneffekte im Hürdenlauf unter auditorischer Deprivation und auditorischer Verstärkung untersuchen - Aspekte, die bislang weder von uns noch von anderen Gruppen adressiert worden sind.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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