Analysekompetenz von Lehrpersonen - Diagnose und Entwicklung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt „Analysekompetenz von Lehrpersonen – Diagnose und Entwicklung“ geht der Frage nach, wie gut angehende und praktizierende Lehrerinnen und Lehrer in der Lage sind, Unterricht analysieren zu können. Zu diesem Zweck werden vier Probandengruppen untersucht: je 200 Studierende, Referendarinnen und Referendare, Lehrerinnen und Lehrer, Seminar- und Fachleiterinnen und -leiter. Ihnen wird eine videografierte Unterrichtsstunde (Fach Physik) vorgeführt und ein Fragebogen vorgelegt, dessen Beantwortung die Analyse der Unterrichtsstunde darstellt. Die mit der Fragestellung verfolgten Forschungsziele fokussieren auf die Messung der Analysekompetenz und auf die Überprüfung eines theoretischen Modells der Analysekompetenz. Die Messung der Analysekompetenz erfolgte über eine Raschanalyse, durch die der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben (Itemparameter) und der Fähigkeitsgrad der Probanden (Personenparameter) ermittelt wurde. Die Reliabilität der Testskala beträgt .780 (EAP/PV Reliability). Hinsichtlich der vier Probandengruppen erzielen Studierende einen relativ niedrigen Fähigkeitswert, Fach- und Seminarleiterinnen und -leiter dagegen den höchsten. Zwischen diesen beiden Gruppen liegen die Referendarinnen und Referendare und die Lehrerinnen und Lehrer. Der Leistungsunterschied zwischen Studierenden und Referendarinnen und Referendaren ist beträchtlich. Dieser Sachverhalt spricht für eine effektive Ausbildung in den Studienseminaren. Die Analysekompetenz der Lehrerinnen und Lehrer liegt allerdings nur geringfügig über der der Referendarinnen und Referendare, die der Fach- und Seminarleiterinnen und -leiter wiederum nicht wesentlich höher als die der Lehrerinnen und Lehrer. In der Gruppe der Fach- und Seminarleiterinnen und -leiter zeigt sich aber im Vergleich zu der der Lehrerinnen und Lehrer eine sehr hohe Streuung. Die besten Fach- und Seminarleiterinnen und -leiter erzielen also höhere Werte als die besten Lehrerinnen und Lehrer. Im unteren Leistungsbereich liegen die Kompetenzen der Fach- und Seminarleiterinnen und -leiter aber ebenso häufig unter denen der betreffenden Lehrerinnen und Lehrer. Die Höhe der Analysekompetenz hängt in den einzelnen Gruppen weder von der Geschlechtszugehörigkeit noch vom zeitlichen Umfang der Berufserfahrung ab. Eine entscheidende Rolle spielen dagegen die fachlichen und fachdidaktischen Kompetenzen der Personen. Zwar sind auch mit exzellenten didaktisch-methodischen Kompetenzen herausragende Analyseleistungen zu erzielen; ergänzend müssen zu diesen didaktisch-methodischen Kompetenzen aber auch entsprechende fachliche bzw. fachdidaktische hinzukommen. Zur Überprüfung des Kompetenzmodells wurden in einem Expertenrating die ermittelten Itemschwierigkeiten mit den Stufen des zugrunde liegenden Kompetenzmodells abgeglichen. Von einigen notwendigen Modifizierungen des Modells abgesehen, zeigt sich im Ergebnis eine hohe Kompatibilität zwischen Daten und Theorie, sodass das Konstrukt Analysekompetenz im Expertenrating als valide beurteilt wird. Zusammenfassend ist herauszustellen, dass mit diesem Projekt erstmals ein reliables Testinstrument zur Messung der Analysekompetenz entwickelt werden konnte, dass vielfältige Forschungsperspektiven für eine kompetenzorientierte Lehrerbildung eröffnet (z.B. Analysekompetenz in Abhängigkeit von der Schulformzugehörigkeit, Lehrerfortbildungsmaßnahmen zur Steigerung der Analysekompetenz samt Evaluation ihrer Effektivität, Längsschnittstudien zur berufsbiografischen Entwicklung der Analysekompetenz, Maßnahmen zur Verbesserung der universitären Lehre).
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2011). Unterrichts- und Lehrerexpertise – Perspektiven für ihre künftige Erforschung. Pädagogische Rundschau, 65, 647-663
Plöger, W. & Scholl, D.
- (2012). Analysekompetenz von Lehrpersonen – Diagnose und Entwicklung. In T. Hascher & G.H. Neuweg (Hrsg.), Forschung zur (Wirksamkeit der) Lehrer/innen/bildung (S. 239–257). Wien: LIT-Verlag
Plöger, W. & Scholl, D.