"Der ,Große Krieg´ als Vater der Nation?" Werner Beumelburg (1899-1963). Leben und Werk
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt widmet sich mit Werner Beumelburg (1899-1963) einem politischen Schriftsteller, der in den 1920er Jahren zur intellektuellen Speerspitze soldatischer Nationalisten um Ernst Jünger zählte. Diese Kriegsdichter propagierten mithilfe auflagenstarker Kriegsliteratur, Publizistik und öffentlichem Auftreten die angebliche ,Frontgemeinschaft' des Ersten Weltkrieges als politische Ordnungsvorstellung einer nach militärischen Prinzipien zu formenden ,Volksgemeinschaft'. Auf diese Weise erschließt sich die Studie über den Kriegsroman der 20er Jahre eine weiträumige soziopolitische Bandbreite an Lesern sowie ein vielschichtiges Wirkungsfeld dieser Textsorte im bi-dimensionalen Feld von Kultur und Politik. Die Arbeit geht der Frage nach, in welchem Maße die von Beumelburg zahlreich vorgelegten literarischen Kriegstexte vergemeinschaftende Ordnungsvorstellungen einer nach dem Vorbild der ,Frontgemeinschaft' des Ersten Weltkrieges aufzubauenden ,Volksgemeinschaft' evozierten. Mithilfe der Methodik der Leserforschung, der Rezeptionsästhetik sowie der Generationsforschung nimmt die Studie eine politische Lager und Milieu übergreifende Analyse der Distributions- und Rezeptionsmechanismen der in der Literatur transportierten Kriegserfahrung, hier vornehmlich von ,Volksgemeinschafts'- und Kameradschaftstopoi, vor. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass ein bellizistisches, d. h. die ,Frontgemeinschaft' als gesellschaftliches Leitmodell mit dem Frontsoldaten als politisch privilegierten ,Führer' favorisierendes Narrativ 1928 nicht als bloße Reaktion auf pazifistisch intendierte Titel wie etwa Erich Maria Remarques "Im Westen nichts Neues" zu verstehen ist. Ein solches setzte bereits 1920 im Reichsarchiv ein, entstanden hier die Richtlinien einer vornehmlich literarisch zu vermittelnden, massentauglichen, nationalistischen Kriegsdeutung auf der rangniederen Ebene der Mannschaftsgrade. Seine Initiatoren und Angehörigen bereiteten mithilfe eines neuen Darstellungsverfahrens jene rezeptionsästhetischen Geschmacksurteile und Distributionsmechanismen vor, die den deutschen Erinnerungshaushalt an den ,Großen Krieg' bereits acht Jahre vor der Kriegsliteraturflut 1928 bestellen halfen. Die Arbeit kommt ferner zu dem Ergebnis, dass Kriegsliteratur der 20er Jahre auf mehreren Ebenen zu wirken vermochte; 1. ermöglichte sie auf intellektueller Ebene Kommunikationsprozesse über rivalisierende Ideen und Ordnungsvorstellungen. 2. schuf sie in Krisenzeiten und mit Blick auf das politische Schaltjahr 1933 virulente Orientierungswerte, die im Raum der Rezeption in politisches Handeln umschlugen. Damit schuf sie 3. vor allem solchen Politikern, die über eigenes Fronterleben verfügten, eine kulturelle Grundlage, auf der sie ihre Herrschaft symbolisch zu legitimieren und ihre angebliche politische Kompetenz aus dem Reservoir in bellizistischer Kriegsliteratur ventilierter Topoi und Motive abzuleiten verstanden. Schließlich zeigt die Arbeit - in ihrem vermutlich wichtigsten Ergebnis - 4. wie sehr äußere und textimmanente Faktoren, ambivalente Lektüre- und Interpretationsakte von Kriegsliteratur hervorriefen, die Kriegsromane ganz unterschiedlicher Provenienz in rivalisierenden Lagem nach Belieben deutbar machten. Im Ergebnis steht hier eine breite Anschlussfähigkeit des historischen Kriegsromans an nahezu jegliche Disposition verschiedener politischer Milieukulturen, divergierender Alters- und Geschlechtskohorten sowie nahezu der gesamten Parteienlandschaft.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Cultural turn und Erster Weltkrieg - Das Reichsarchiv und die literarische Politisierung des Kriegserlebnisses, in: Sabina Becker (Hg.): Jahrbuch zur Kultur und Literatur der Weimarer Republik 16 (2013/2014), 95-114
Florian Brückner
- Politische Sinnvermittlungsprozesse in der Literatur. Zur rezeptionsästhetischen Bedeutung des literarischen Kriegsrealismus der 1920er Jahre, in: Wolfram Pyta / Jörg Lehmann (Hg.): Krieg erzählen - Raconter la guerre. Darstellungsverfahren in Literatur und Historiographie nach den Kriegen von 1870/71 und 1914/18, Berlin 2014, 153-166
Florian Brückner