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Stadt, Land, Fluss: eine politische Ökologie des Sungai Kapuas (Kalimantan, Indonesien)

Fachliche Zuordnung Sozial- und Kulturanthropologie, Außereuropäische Kulturen, Judaistik und Religionswissenschaft
Förderung Förderung von 2011 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 189854141
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt verknüpfte datenorientiert-kartierende mit qualitativ-ethnographischer Forschung, um die politische Ökologie des größten Flusses Indonesiens, des Kapuas River in Kalimantan, zu untersuchen. Das Forschungsvorhaben nahm die These Bronson’s vom „dendritic system“ als Ausgangspunkt, die politische Ökologie des Kapuas raumtheoretisch neu zu ergründen. Übergeordnetes Forschungsziel war es dabei, die Multifunktionalität des Flusses als Handelsweg, als Nutz- und Abwassersystem und als Lebenswelt miteinander in Verbindung zu setzen und von da ausgehend die Politisierung der Ressource Wasser in Beziehung zu räumlich verteilten ökonomischen und politischen Akteuren und Strukturen zu analysieren. Über 300 Einzelinterviews, 100 topographische Karten, 150 Landsataufnahmen und umfangreiches Primärmaterial wurden in einem Geographischen Informationssystem (GIS) zusammengeführt, das die Grundlage für eine Weiterentwicklung eines funktionalen Models des Flusssystems bildet. In der qualitativ-ethnographische Forschung entwickelten wir eine innovative Methode, die wir als „Participatory Hydro-Political Appraisals“ (PHPAs) bezeichneten. Die PHPAs, die als Zusammenführung von Participatory Rural Appraisals (PRA) mit Aktionsforschungselementen samt ihrer Bezugnahme auf den Fluss verstanden werden könnten, bestanden aus jeweils 2-4 Wochen intensiver Feldforschung mit den folgenden Elementen: Reconnaissance and Grouping; Bildung von „Citizen Research Groups“; Place Biography Narratives, River Transect, Spatial Problem Analysis, Change Objectives, Spatial Intervention Analysis, Connecting the Dots. Insgesamt wurden sieben solcher PHPAs zu folgenden sozial-ökologischen Transformationen durchgeführt: Soziale Reproduktion (städtische Wasserprobleme); Bauxitabbau; Goldgewinnung; Fischerei; Palmöl; Entwaldung/Abholzung; Naturschutz und klimapolitisch motivierte forstliche Initiativen (REDD). Aus der Verbindung zwischen den PHPAs und der datenorientiert-kartierenden Forschung entwickelten wir dann unsere raumtheoretische Analyse der politischen Ökologie des Flusses, deren Grundidee sich im Titel des Projektes wiederfindet (politische und Investitionsentscheidungen in der Stadt führen zur Transformation des ländlichen Raums, die über den Fluss vermittelt in die Stadt zurückwirken). Dabei analysierten wir für jede der sieben identifizierten und in den PHPAs untersuchten Schlüsseltransformationen spezifische „City-Rural-River-Transformation-Loops“, die durch unterschiedliche raumwirksamen Dynamiken (Territorialisierungen, Örtlichkeit, Netzwerken und scales) und politisch-ökologische Prozessen (unterschiedliche ökologische Materialitäten, Akteurskonstellationen, soziale Differenzierungen, Geschlechterverhältnisse, Politisierungen und Diskurse) gekennzeichnet sind. Aus dem Zusammenspiel der verschiedenen „Transformation Loops“ entsteht eine aggregierte Transformation einer sozial-ökologische Landschaft, bei der in erster Linie eine kleinbäuerliche Produktion, die auf den Säulen Subsistenz und Markt beruht, zugunsten großflächiger Konzessionen verdrängt wird. Die großflächige Anlage von Palmölplantagen, die raumgreifenden Tagebaukonzessionen sowie die verbreitete Abholzung und Entwaldung verändern das Flussökosystem direkt und indirekt durch die Zerstörung von Flussuferbereichen und Überflutungswäldern, durch Trockenlegung von Torfwäldern, Sümpfen und saisonalen Seen, sowie durch die Kontaminierung der Flüsse (POME, Tailings, Sedimentation). Dies wiederum verstärkt die Krise der Subsistenzwirtschaft (Einschränkung der Flüsse als Lebens- und [Re-]Produktionsraum). Gleichzeitig führt die soziale Differenzierung im ländlichen Raum (Kapitalakkumulation und Proletarisierung) zu weiteren sozial-ökologischen Transformationen wie der Intensivierung der Fischerei und der sich an Flüssen entlang ausbreitenden illegalisierten Goldgräberei - mit zum Teil gravierenden ökologischen Folgen. Die verschiedenen Flussverschmutzungen akkumulieren flussabwärts in der Stadt Pontianak, und verstärken dort die Krise der Trink- und Abwasserversorgung und, breiter gesprochen, der alltäglichen sozialen Reproduktion. Schließlich bestand eine weitere Innovation des Projektes im Einsatz von Drohnen zur Kartierung („countermapping“) die in der Fachwelt und in einer breiteren Öffentlichkeit Beachtung fand. Folgeprojekte zu diesem Thema und über eine vergleichende Analyse der politischen Ökologie der wichtigsten Flüsse Borneos („River of Borneo“ Projekt) sind geplant.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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