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Vom kollektiven Gedächtnisort zur nationalen Institution. Juden, Polen und die polnischen Streitkräfte, 1918-1939

Antragsteller Professor Dr. Dan Diner
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2010 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 188729285
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Sowohl in der Qualifikationsarbeit als auch in den wissenschaftlichen Aufsätzen wurde gezeigt, dass die Zwischenkriegszeit in Bezug auf die polnisch-jüdischen Beziehungen vor allem ein beständiges Ringen zweier ungleicher Bevölkerungsgruppen um ihren Platz in einem faktisch multiethnischen, nominell aber national und monokonfessionell verfassten Staatswesen war. Das Militär agierte in diesem Umfeld zum einen als Agent des homogenisierenden Nationalstaats, entwickelte aber zugleich ein pragmatisches Interesse an wirklichkeitsnahen integrativen Lösungen zur Einbindung von Minderheiten. Das Beispiel des Militärs zeigt, dass die institutionelle Logik nicht zwangsläufig den politischen Entwicklungen Rechnung tragen musste, fand doch die Kooperation zwischen jüdischen und militärischen Akteuren in einer Zeit statt, in der Antisemitismus zu einem Wesensmerkmal des politischen Alltags im Lande wurde. Vor diesem Hintergrund erwies sich der in der vorliegenden Arbeit verfolgte kombinierte Ansatz aus Institutionen- und Gedächtnisgeschichte als überaus fruchtbar – auch im Hinblick auf mögliche weitere Studien zum jüdisch-polnischen Verhältnis und zur polnischen Minderheitenpolitik im Untersuchungszeitraum. Aufs Ganze gesehen erwies sich das Militär in mancherlei Hinsicht als Modell und Vorbild für den Umgang mit ethnischer und konfessioneller Vielfalt in Polen: Erstens war es die Armee, welche die 1914 bis 1921 eingeübte Gewaltpraxis im Umgang mit Nichtpolen weitgehend – eine Ausnahme bildet die Zerstörung ukrainischer Dörfer und orthodoxer Kirchen in den 1930er Jahren – überwand und zu strukturell gewaltfreien Beziehungen fand. Zweitens wurde der in der Armee entwickelte Grundsatz, den Minderheiten mit einer Mischung aus Restriktion und Akzeptanz gegenüberzutreten, bald auch zur Grundlage der Minderheitenpolitik in den übrigen Bereichen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens. Schließlich war es das Militär selbst, das über seine politische Vernetzung im Staat im Positiven wie im Negativen minderheitenpolitische Impulse und Themen setzen konnte.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Jabłonna als Erinnerungsikone: Juden in den polnischen Streitkräften 1918–1939, in: Jahrbuch des Simon-Dubnow-Instituts/ Simon Dubnow Institute Yearbook 9 (2010), 545–571
    Dan Diner
  • Jabłonna, in: Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur. Im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig hg. von Dan Diner, Bd. 3, Stuttgart/Weimar 2012, 157–159
    Dan Diner
  • Kantonisten, in: Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur. Im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig hg. von Dan Diner, Bd. 3, Stuttgart/Weimar 2012, 316–319
    Dan Diner
  • Juden im Militär. Erfahrung und Erinnerung im 19. und 20. Jahrhundert. Schwerpunkt im Jahrbuch des Simon-Dubnow-Instituts/Simon Dubnow Institute Yearbook 12 (2013), 95–262
    Dan Diner (Hrsg.)
  • Nationalisierung und Pragmatismus. Staatliche Institutionen und Minderheiten in Polen 1918–1939, Themenheft der Zeitschrift für Ostmitteleuropaforschung 62 (2013)
    Dan Diner mit Stephan Stach (Hrsg.)
  • »Jeszcze nas straszą żywe upiory bez nosów...« Kilka uwag o miejscu kombatantów i inwalidów wojennych w społeczeństwie polskim 1918–1939 [»Noch schrecken uns die lebendigen Gespenster ohne Nasen...« Einige Anmerkungen zur Stellung der Kombattanten und Kriegsinvaliden in der polnischen Gesellschaft 1918– 1939], in: Mateusz Rodak/Janusz Żarnowski (Hgg.), Margines społeczny Drugiej Rzeczpospolitej [Soziale Randgruppen der Zweiten Republik], Warszawa 2013, 103–118
    Dan Diner
  • Frontline Soldiers into Farmers. Military Colonisation in Poland after the First and the Second World War, in: Dietmar Müller/Hannes Sigrist (Hgg.), Property in East Central Europe. Notions, Institutions, and Practices of Landownership in the Twentieth Century, New York/Oxford 2014, 134–162
    Dan Diner
 
 

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