Gefährlichkeit von Strafentlassenen nach langen Jugendstrafen - ein empirischer Beitrag zur nachträglichen Sicherungsverwahrung nach Jugendstrafe
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die untersuchten Entlassenen nach über 5jähriger Jugendstrafe stellen eine extreme Auslese unter allen nach Jugendstrafrecht Verurteilten dar. Dementsprechend haben sie schwere bis schwerste Gewalt- und Sexualstraftaten begangen und weisen eine erhebliche strafrechtliche Vorbelastung auf. Erwartungsgemäß gehen damit auch vielfältige Verhaltensauffälligkeiten, Sozialisationsdefizite sowie soziale und psychische Belastungen einher. Im Hinblick auf das Rückfallrisiko ist es gleichwohl sinnvoll zu differenzieren und herauszufinden, ob es in der sozialen und deliktischen Entwicklung der Pbn. Merkmale gibt, die einen (gefährlichen) Rückfall mehr oder weniger wahrscheinlich machen. Hier erweist sich, dass einzelne Merkmale jeweils nur einen relativ schwachen Zusammenhang mit dem Ob und Wie des Rückfalls aufweisen. Erst bei einer Häufung von Merkmalen zeigen sich deutlichere Unterschiede zwischen den verschiedenen Rückfallgruppen: am klarsten zwischen der Gruppe der “Nichtrückfälligen“ und der „Allgemeinrückfälligen“. Dagegen ist die Differenz zwischen den Pbn. mit gefährlichem Rückfall einerseits und nichtgefährlichem Rückfall andererseits weniger stark ausgeprägt, so dass sich hier für die Prognose eines gefährlichen Rückfalls kaum trennkräftige Kriterien, die gerade für eine Einschätzung der Gefährlichkeit im Sinne der Sicherungsverwahrung benötigt würden, herausschälen lassen. Auch eine vertiefte Analyse der Gutachten in Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren sowie der Auswertung der Gefangenenpersonalakten bringt insoweit keine weiterführenden Ergebnisse. Insbesondere zeigt sich, dass der Strafvollzug keine speziellen Programme für die betreffende Gefangenengruppe entwickelt hat. Anknüpfend an diese Befunde erscheinen einige kriminalpolitischen Folgerungen plausibel: Angesichts der diagnostischen und prognostischen Schwierigkeiten sollte die Anordnung vorbehaltener Sicherungsverwahrung mit großer Vorsicht geschehen. Der Strafvollzug sollte der Gruppe langinhaftierter Jugendstrafgefangener mehr Aufmerksamkeit widmen und insbesondere bei Vollverbüßern das Übergangsmanagement verbessern. Die kriminologischen Dienste sind im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Wirkungsforschung aufgerufen, die Fälle vorbehaltener Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 JGG zu dokumentieren und begleitend zu untersuchen. Und schließlich gilt es, die Prognoseforschung bei jungen Gewalt- und Sexualtätern systematisch auszubauen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Gefährlichkeit von Strafentlassenen nach langen Jugendstrafen. Erste Ergebnisse einer Bundeszentralregisterauswertung, in: Dölling/Jehle (Hrsg.), Täter, Taten, Opfer. Grundlagenfragen und aktuelle Probleme der Kriminalität und ihrer Kontrolle, Mönchengladbach 2013, S. 122-139
Jörg-Martin/Grindel, Ramona
- Gefährlichkeit von Strafentlassenen nach langen Jugendstrafen - Erste Ergebnisse einer Strafaktenanalyse (zus. mit Ramona Grindel). In: Risiken der Sicherheitsgesellschaft - Sicherheit, Risiko & Kriminalpolitik, Mönchengladbach 2014, S. 203 - 224
Ramona Grindel/Jörg-Martin Jehle
- Rückfälligkeit Strafentlassener nach langen Jugendstrafen in Abhängigkeit von soziobiographischen Merkmalen (zus. mit Ramona Grindel). In: Über allem: Menschlichkeit, Festschrift für Dieter Rössner, hrsg. von Britta Bannenberg et al. Baden-Baden 2015, S. 103 – 129
Ramona Grindel/Jörg-Martin Jehle