Der Beitrag öffentlicher Akteure zur räumlichen Entwicklung auf kommunaler Ebene - Empirische Grundlagen -
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Was weiß die Wissenschaft, die sich mit der Entwicklung der Städte und der Rolle der räumlichen Planung und Steuerung auseinandersetzt, über die laufenden Aufgaben und Arbeitsweisen - zum Beispiel - der Ämter und Ausschüsse für Stadtplanung auf der kommunalen Ebene? Wenig. Wir wissen mehr über das Entstehen und Vergehen intermediärer Organisationen, über die"Bedeutung von innovativen Milieus«,"neue Verfahren und Akteure « der räumlichen Entwicklung, die Gestaltung von"Transformationen« und so fort. Hat sich die Planungstheorie mit der Aufstellung von z.B. Bauleitplänen auseinandergesetzt? Kaum. Es ging in den letzten Jahren eher um Bedeutung und Gefahren der Großprojekte, die"bottom-up-Prozesse« in Agenda- 21- Verfahren, um"Management der Stadtentwicklung«, um die Entwicklung vorbildlicher Projekte oder die"Wiederkehr der strategischen Pläne«. Forschungen und theoretische Diskussion haben sich also vor allem auf das Besondere, das vermeintlich Neue, das Außeralltägliche bezogen, um Veränderungen dingfest zu machen. Das trifft für die ganz überwiegende Zahl der jüngeren Untersuchungen (die eigenen eingeschlossen) zu und ist als solches nicht zu kritisieren. Mit dieser Orientierung am Außergewöhnlichen sind allerdings zwei Probleme verbunden, die es zu bedenken gilt: Einerseits fanden viele Fachleute aus der kommunalen oder regionalen Planungspraxis ihre Aufgaben und Aktivitäten in dieser Forschung nicht wieder. Das hat - neben anderen Ursachen - zu einer Entfremdung von Theorie und Praxis geführt. Andererseits wurden in vielen Forschungsprojekten Aussagen erzeugt und Folgerungen formuliert, die sich auf"die« Planung, »das« Planungsverständnis und so fort beziehen und insofern einen Allgemeingültigkeitsanspruch zum Ausdruck bringen, der der Überprüfung wert wäre. Eben dies war ein zentrales Anliegen der vorliegenden Untersuchung. Es sollte anhand von alltäglichen Aufgaben der Stadtplanung erörtert werden, ob die in anderen Zusammenhängen gewonnenen Aussagen auch hier Gültigkeit haben. Als eine solche"atitägliche Aufgabe« wurde die Entwicklung von Siedlungsflächen ausgewählt - wie sie heute etwa in der Bauleitplanung und zahlreichen flankierenden Aktivitäten zum Ausdruck kommt. Das Erarbeiten städtebaulicher Konzepte, die Setzung von rechtlichen Rahmenbedingungen für die private Bodennutzung und verschiedene Beiträge zur Umsetzung von Siedlungsprojekten bildeten schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Kern kommunaler Stadtplanung. Und wer heute die Tagesordnungen der Stadtplanungsausschüsse analysiert, wird unschwer erkennen können, dass vergleichbare Aufgaben - wenn auch selbstverständlich unter veränderten Rahmenbedingungen und mit sehr viel elaborierterem Instrumentarium - noch immer den Alltag kommunaler Stadtplanung prägen. Dieser Aufgabenbereich ist zudem von Anbeginn dadurch geprägt, dass hier öffentliches und privates Handeln ineinander greifen: Während die kommunalen Akteure Rahnenbedingungen definieren und über Infrastrukturbauten hinaus nur selten an der Realisierung mitwirken, wird die eigentliche Siedlungsentwicklung im Wesentlichen über die an verschiedenen Märkten (Immobilien-, Bau-, Kapitalmarkt) agierenden privaten Akteure geprägt. Damit ist diese Aufgabe in besonderer Weise dazu geeignet, die in den letzten Jahren in den Politikwissenschaften entwickelte"Governance-Perspektive« anzuwenden: Mit ihr wird ein Instrumentarium angeboten, um die Interdependenzen zwischen Akteuren sichtbar zu machen und zu beschreiben, auf welche Weise sich aus diesem Neben- und Miteinander vieler Aktivitäten Wirkungen (in diesem Falle: die Entwicklung von Siedlungsflächen) ergeben. Ausgangspunkte der Betrachtung waren also der"alltägliche« Aufgabenbereich (Entwicklung von Siedlungsflächen) und die in ihm tätigen Akteure, um von hier aus fragen zu können, welcher Art der kommunale Beitrag zur Bewältigung dieser Aufgabe ist. Um diese Perspektive zum Ausdruck zu bringen, sprechen wir auch von einem"aufgabenund akteursorienterten Forschungsansatz«, der hier gewählt wurde, um die Hypothesenprüfung vorzunehmen. Dieses Forschungsprojekt ist also vorrangig »innerwissenschaftlich« ausgerichtet: Vorhandenes Wissen soll überprüft und das Forschungsinstrumentarium erweitert werden. Insofern hält sich das Vorhaben an"klassische « Vorgaben der Wissenschaftsentwicklung: Kritische Begriffsarbeit und systematische Hypothesenfalsifizierung/-verifizierung werden hier als Voraussetzungen für wissenschaftliches Voranschreiten angesehen. Damit sind bereits die Arbeitsweise und der Aufbau des Vorhabens angesprochen. Das der DFG ursprünglich vorgelegte Forschungskonzept sah drei Arbeitsschritte vor; Literaturarbeit, empirische Analysen und Diskurs (Werkstätten). Auf Wusch der Gutachter wurde die empirische Arbeit aus der Förderung herausgenommen, so dass der ursprüngliche Ansatz de facto zu einer Vorstudie wurde: • Hypothesen wurden aus dem Stand der Diskussion"extrahiert« und anhand der Ergebnisse vor allem empirisch orientierter Studien überprüft (vgl. insbesondere A 6 des Abschlussberichts); • Im Mittelpunkt stand ein Werkstattgespräch (vgl. C), in dem Fachleute aus Theorie und Praxis die von uns im Vorfeld zusammengestellten Hypothesen aus der jüngeren planungstheoretischen Diskussion aufgriffen und am Beispie! der Entwicklung von Siedlungsflächen auf ihre Aussagekraft hin untersuchten. Zum Charakter einer Vorstudie gehört nach unserer Überzeugung aber auch die Prüfung, ob der verfolgte Forschungsansatz empirisch tragfähig und ertragreich sein kann. Da im Vorhaben selbst dafür keine Mittel bereit standen, arbeiteten wir mit"fragmentierter« Empirie: Aufbauend auf einem gemeinsamen Konzept wurden verschiedene Einzelaktivitäten (Fallstudien aus Eigenmitteln, Dissertationen) initiiert. Zugleich wurden Bezüge zu anderen am Lehrstuhl laufenden Forschungsprojekten hergestellt, so dass ein Verbund entstand, in dem empirische und theoretische Aktivitäten zusammengeführt werden konnten (in Kurzform wird darüber in Abschnitt B berichtet). Auf diese Weise konnten sowohl die Tragfähigkeit des Ansatzes getestet als auch bereits erste Ergebnisse inhaltlicher Art erzeugt werden. Der Ertrag dieser Bemühungen wird an anderer Stelle ausführlicher dargestellt (vgl. Abschnitt D). Hier seien daher lediglich zu den zwei angesprochenen Aspekten einige Stichworte benannt: • Relevanz und Tragfähigkeit des Ansatzes: In der theoretischen Reflexion wurde dem hier entwickelten Forschungsansatz von den Kooperanden (insbesondere im Rahmen des Werkstattgesprächs) attestiert, dass er wesentlich zur Ergänzung bisheriger Forschungsstrategien beiträgt; * Inhaltlicher Ertraget Prüfung bisheriger Aussagen über den Beitrag öffentlicher Akteure zur räumlichen Entwicklung führte zum Teil zu Aussagen, die deutlich vom bisherigen Diskussionsstand abweichen. Das gilt insbesondere für das Verständnis vom"Wandel der Planung«: hier ist im untersuchten Aufgabenbereich ein sehr viel höheres Maß an Persistenz und Kontinuität vorzufinden. Auch erwies sich, dass die Kommunen bei der Siedlungsflächenentwicklung - anders als in der Diskussion z.B. um"Entwicklungsplanung « angenommen - a priori eine reaktive Rolle haben, was ihnen aber durchaus Gestaltungsmöglichkeiten belässt.... Ausblick auf künftige Arbeiten und Beschreibung möglicher Anwendungen. Die Ergebnisse legen es nahe, dem hier entworfenen und lediglich punktuell getesteten Forschungsansatz in der notwendigen Intensität nachzugehen. Dies könnte anhand einer aktuellen Aufgabe - etwa der"Ertüchtigung« innerstädtischer Quartiere - geschehen. Methodisch wären (die Gutachter hatten drauf bereits in ihren Stellungnahmen hingewiesen) dann jedoch umfassende Fallstudien vonnöten, die die Perspektiven aller relevanten Akteure berücksichtigen. Im Theorie-Praxis-Austausch zeigte sich zudem, dass das hier vorgestellte Untersuchungskonzept (in entwickelter Form) auch zu interessanten Antworten auf aktuelle Fragen führen kann. Das gilt zum Beispiel für die Frage, wie ein sparsamer Umgang mit dem Boden (»30 ha Ziel«) auf kommunaler Ebene bewirkt werden könnte oder unter welchen Bedingungen welche Formen öffentlich-privater Partnerschaften bei der Siedlungsflächenentwicklung tragfähig sind.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Hanno Ehrbeck (2006) Der Beitrag kommunaler Stadtplanung zur Steuerung der Bodennutzung. Eine empirische Untersuchung zu Aufgaben und Arbeitsformen der Stadtplanung im Themenfeld Wohnen. Diss. RWTH Aachen. FTJvlaterialien H. 13
- Klaus Seile (2007) Neustart. Vom Wandel der shared mental models In der Diskussion über räumliche Planung, Steuerung und Entwicklung. In: disP 169 (H. 2/2007) S. 17- 30
- Klaus Seile:"Wer entwickelt Stadt? Blicke zurück nach vorn«. Einführungsvortrag zur Tagung"Wer entwickelt die Stadt? Akteure Strategien, Strukturen und Partnerschaften«. Universität Kassel und Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung. Kassel 7,/8. 12.2007
- Lothar Feldmann, Helene Hüttinger, Marion Klemme, Klaus Seile (2006) Zwei Jahre Stadtplanung. Über den Alltag kommunaler Siedlungsentwicklung. Eine Vorstudie am Beispiel der Stadt Aachen. PTJVIaterialien H.12
- Marion Klemme (2008): Wohnflächenentwicklung unter veränderten Rahmenbedingungen: Öffentliche Akteure zwischen Neubau und Bestand. In: Schmitt, Gisela; Seile, Klaus (Hg.): Bestand? Perspektiven für das Wohnen in der Stadt, Dortmund
- Marion Klemme, Klaus Seile (unter Mitarbeit von Lothar Feldmann, Sarah Ginski, Helene Hüttinger und Magdalena Wilczynski) (2008) Alltag der Stadtplanung. Der kommunale Beitrag zur Entwicklung der Siedlungsflächen, Ein aufgaben- und akteursbezogener Forschungsansatz. Aachen. PTjvlaterialien H. 15
- Marion Klemme:"Kommunale Siedlungsflächenentwicklung unter Bedingungen des demographischen Wandels«. Vortrag zum REFINA-Projekttreffen des Forschungsverbundes »KoReMi«. Wittenberg, OG. März 2008
- Marion Klemme:"Neubau, Umbau, Rückbau, ...bau? Stadtentwicklung ohne Wachstum« in der Vortragsreihe"Geoforum« an der Universität Trier. Trier/Luxemburg, 23. Januar 2008
- Marion Klemme:"Stadtentwicklung ohne Wachstum. Zur Steuerungspraxis kommunaler Siedlungsflächenentwicklung«. Beitrag zur Fachsitzung"Städtische Schrumpfungsprozesse und ihre demographischen Ursachen « auf dem Deutschen Geographentag. Bayreuth 06. Oktober 2007
- Marion Klemme; Klaus Seile (2006): Zwei Jahre Stadtplanung. Versuch, den Alltag kommunaler Mitwirkung an der räumlichen Entwicklung zu beschreiben. In: Seile, Klaus (Hg,):. Praxis der Stadt- und Regionalentwicklung. Analysen. Erfahrungen. Folgerungen. (Planung neu denken, Bd. 2), Dortmund, 262-281