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Politische Repräsentation und Verteilung von Landesmitteln

Fachliche Zuordnung Wirtschaftspolitik, Angewandte Volkswirtschaftslehre
Förderung Förderung von 2010 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 184488832
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt befasste sich mit dem Zusammenhang zwischen politischer Repräsentation und der Verteilung von Finanzmitteln. Die zentralen Fragen waren: (1) „Sind Repräsentationsunterschiede in dem Sinne relevant, dass die Bürger materiell von größerer politischer Repräsentation profitieren?“ und (2) „Setzt der Zugang zum Parlament durch Mehrheitswahl bzw. Listenwahl unterschiedliche Anreize für Politiker, sich um Zuwendungen für den eigenen Wahlkreis zu bemühen?“. Zur Untersuchung dieser Fragen wurde das System der personalisierten Verhältniswahl in drei großen deutschen Bundesländern als „natürliches Experiment“ genutzt. Es wurde ein neuer Datensatz geschaffen, der Daten der Kommunalen Haushalts‐ und Finanzstatistik mit politischen Daten sowie verschiedenen ökonomischen und demographischen Daten auf Gemeindeebene zusammenführt und die Aggregation dieser Daten auf die Ebene der Landtagswahlkreise ermöglicht. Ausgangspunkt des ersten Projektteils ist die Beobachtung, dass das Verfahren der personalisierten Verhältniswahl quantitative Unterschiede in der politischen Repräsentation bedingt: Zwar sind alle Wahlkreise annähernd gleich groß und werden von einem Abgeordneten vertreten, der sein (Direkt‐)Mandat durch den Gewinn einer relativen Mehrheit in seinem Wahlkreis erhalten hat. Doch sind auch die Mitglieder der Landtage, die über Parteilisten eingezogen sind, einem Wahlkreis verhaftet, z.B. weil sie sich dort erfolglos um das Direktmandat beworben haben, weil sie aus der Lokalpolitik oder Bürgerinitiativen kommen oder einfach, weil sie dort wohnen und über diesen Wahlkreis besser informiert sind. Daher wurde Repräsentation im Rahmen des Projektes anhand des Wohnortes (ersatzweise: Sitz des Abgeordnetenbüros) definiert. Die Zahl der Abgeordneten, die einen Wahlkreis in diesem Sinne vertreten, variiert quasi‐zufällig. Dadurch wird es möglich, den Effekt von Repräsentation auf die Verteilung staatlicher Mittel empirisch überzeugend zu isolieren. Dieser exogene Charakter ist ein wesentlicher Vorzug gegenüber früheren Untersuchungen. Die Analyse zeigt, dass Wahlkreise umso mehr Landesmittel erhalten, je mehr Abgeordnete mit dem Wahlkreis verbunden sind. Dieses Resultat ist unverändert, wenn diverse sozio‐ökonomische und demographische Kontrollvariablen eingeführt werden und es ist robust gegenüber verschiedenen Schätzverfahren (Querschnittregression, Panelanalyse, Instrumentenschätzung). Die Schätzungen bedeuten, dass ein zusätzlicher Abgeordneter in einem Wahlkreis eine Erhöhung der jährlichen Gesamtzuwendungen, die in den Wahlkreis fließen, um zwei Prozent nach sich zieht und eine Erhöhung der jährlichen Investitionszuweisungen um dreieinhalb Prozent. Ein ergänzendes theoretisches Modell zeigt einen plausiblen Mechanismus auf, nämlich die Koalitionsbildung im Landtag, der diesen Zusammenhang hervorbringt. In Einklang mit dem Modell steht auch der Befund, dass Abgeordnete der Regierungsparteien in größerem Maße zu Investitionszuweisungen beitragen als Oppositionsabgeordnete. Im zweiten Projektteil wurde untersucht, ob die zwei verschiedenen Zugangsarten zum Parlament im System der personalisierten Verhältniswahl auch zwei qualitativ unterschiedlichen Arten von Repräsentation entsprechen. Richten insbesondere die Direktabgeordneten ihr Handeln eher an lokalen Interessen aus, während die Listenabgeordneten eher die Interessen breiter, sozio‐demographisch definierter Gruppen berücksichtigen? Dies wurde mit verschiedenen Ansätzen untersucht: In einer Querschnittsuntersuchung und in einem Regressions‐Diskontinuitäts‐Design (abhängige Variable: Zuwendungen an die Gemeinden, die Wohn‐ oder Bürositz eines Abgeordneten sind) sowie mit einem Vergleich der Ausschussmitgliedschaften der beiden Abgeordnetentypen. Es konnte keine signifikante Rollendifferenzierung zwischen Direkt‐ und Listen‐Abgeordneten festgestellt werden. Zumindest für die deutschen Bundesländer muss demnach die personalisierte Verhältniswahl als ein Wahlsystem sui generis verstanden werden, bei dem die Elemente von Mehrheits‐ und Verhältniswahlrecht nicht unabhängig nebeneinander stehen, sondern sich bereits in ihrer Anreizwirkung auf den einzelnen Abgeordneten vermischen. Der empirische Befund in diesem zweiten Projektteil ergänzt sich mit den Ergebnissen des ersten Projektteils zu dem Bild: Alle Abgeordneten vertreten (auch) Wahlkreisinteressen. Es ist eine weitverbreitete Annahme, dass das Bemühen von Politikern um geographisch konzentrierte Ausgaben auf Mehrheitswahlsysteme mit Einer‐Wahlkreisen beschränkt sei. Die Projektergebnisse zeigen, dass diese Annahme nicht zutreffend ist: Auch im deutschen Wahlsystem, das im Wesentlichen eine Verhältniswahl vorsieht, führt ungleichmäßige Repräsentation zu einer ungleichmäßigen Verteilung der Landesmittel, weil auch Listenabgeordnete lokale und regionale Interessen wahrnehmen. Das Projekt trägt damit zu einem besseren Verständnis von gemischten Wahlsystemen und Verhältniswahlen in Deutschland und darüber hinaus bei.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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