Absatz und Absatzstrategien des westdeutschen Steinkohlenbergbaus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der wichtigste und zentrale Erkenntnisfortschritt der Untersuchung besteht in der Durchführung einer Analyse, die die interne Organisation, Macht- und Strukturaspekte und Handlungsoptionen eines Kartells gezielt und systematisch herausarbeitet. Kartell- und Wettbewerbsuntersuchungen bilden eine grundlegende Säule wirtschaftswissenschaftlichen und wirtschafts- sowie unternehmenshistorischen Arbeitens. Die dabei vorgenommenen Prämissen und Annahmen gründen auf der gegenwärtigen Vorstellung eines freien und wettbewerbsgesteuerten Wirtschaftssystems. Die Sicht auf Kartelle war aber bis nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland eine ganz andere. Kartelle waren nicht nur legal, sondern auch die legitimen Interessen- und Organisationskörper der Wirtschaft. Das Ziel war, das freie Spiel des Marktes und seine Wettbewerbskräfte nicht ungezügelt zuzulassen, sondern vor dem Markteintritt eine kooperative und interessenbereinigende Filterung in Kartellen vorzunehmen. Dessen ungeachtet sind die Fragen nach den historischen Kartellen als Untersuchungsgegenstand normativ aufgeladen. Implizit oder explizit werden Kartelle als marktschädigende und preismanipulierende Blackbox bewertet. Was dabei im Inneren eines Kartells oder Syndikats abläuft und wie eine solche Wirkung gezielt geschaffen, formiert und auch öffentlich vertreten wird, welche Mechanismen sich hinter kartellierten Funktionskörpern verbergen, werden dabei i.d.R. nicht beachtet oder nicht explizit zur Frage erhoben. Die holistische Kartellbetrachtung am Beispiel des RWKS aufgebrochen zu haben und einen differenzierten Blick auf Verhandlungsstrategien in Abgrenzung zu Verhandlungstaktiken geworfen zu haben, kann als ein wesentlicher Fortschritt für die Kartellforschung angesehen werden. Der zweite wesentliche Fortschritt besteht in der Auseinandersetzung mit den Absatzstrategien in einem hoch vermachteten Wirtschaftsraum. Die Frage nach der Bedeutung des Absatzes für den Unternehmenserfolg erscheint nach dem Befund der Analyse unterschätzt. Gerade die Kohlenwirtschaft war eine im Untersuchungszeitraum zentrale Schlüsselindustrie der Wirtschaft. Die Feststellung, dass die Frage nach der Absatzgestaltung eine derartige Vermachtung und Konzentration auf zwei Instanzen, nämlich RWKS und SHV, annahm, ist wesentlich und motiviert dazu, absatzgeleitete Fragestellungen für die unternehmenshistorische Forschung insgesamt stärker und systematischer zu fokussieren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Die westdeutsche Kohlen und der niederländische Markt in der Zwischenkriegszeit. Eine Forschungsskizze, in: Akkumulation, Nr. 30 (2010), S. 11-19
Roelevink, Eva-Maria
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Challenging times – The Renewal of transnational Business Relationship: The Rhenisch Westphalian Coal Syndicate and the Coal Trading Association, 1918 to 1925, in: ZUG 2012/2, S. 154-180
Roelevink, Eva-Maria mit Joep Schenk
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Een nederlandse Steenkolenmijn op duitse Bodem: de Steenkolen Handels-Vereeniging verwerft de Mijn Sophia-Jacoba te Hückelhoven (1917), in: Jaarboek van het Sociaal Historisch Centrum voor Limburg, LVII 2012, S. 104-130
Roelevink, Eva-Maria
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Investitionssicherung eines Syndikatshändlers: die Steenkolen-Handelsvereeniging und die Gründung der Gewerkschaft Sophia-Jacoba, in: JWG 2012/2, S. 177-214
Roelevink, Eva-Maria